Eine Mariensage

Ihr kennt doch die kleine Kapelle hart an der Landstraße im Weiler Duft unterhalb des sogenannten Erbstollens von Schwaz?

Zu Ehren unserer lieben Frau ward sie erbaut und darin ein liebliches Muttergottesbild der Verehrung des frommgläubigen Volkes ausgesetzt. Bei trockener Witterung drang nun der auf der Straße durch den lebhaften Verkehr aufgeregte Staub durch Thüre und Fenster und belegte Altar und Betschemel; bei Thau- und Regenwetter aber schleppten die Fußgänger, welche die Kapelle betraten, an ihren Sohlen den Gassenkoth hinein, so daß der Fußboden von der Fahrstraße bald kaum mehr zu unterscheiden war. Diese Vernachlässigung ihrer Wohnung muß der seligsten Jungfrau gar sehr mißfallen haben, denn eines Sonnabends sah man die jungfräuliche Himmelskönigin gleich einer Magd ihre Wohnung gar emsig scheuern und fegen, und die einfache Kapelle war so reinlich und lieblich wie noch nie. Seit Jahren ist nun das Bild der göttlichen Mutter in die freundliche und reinliche Schloßkapelle zu Thurnegth [Thurneck] bei Rothholz übertragen; doch bleibt die Kapelle zu Duft dem frommen Christenvolke heilig, weil die glorreiche Himmelskönigin selbst sie einst gescheuert und gefegt hat. (Bei Schwaz. P. H. Högl.)

Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 891, Seite 517.