Der Geist auf Rettenberg

Auf dem Schlosse Rettenberg, das drei Viertelstunden von Kolsaß [Kolsass] auf einer bewaldeten Anhöhe liegt, soll es früher nicht geheuer gewesen sein. Ein gegen Witwen und Arme hartherziger Vogt mußte dort sammt seiner Frau lange Zeit umgehen. Einst kamen zwei Bauern von Weer, die an einem Sonntag auf dem Kolsaßer Berg Äpfel kaufen wollten, zu den Ruinen. Da trat eine Frau mit einem Schlüsselbunde aus dem halbverfallenen Thore und fragte, was sie wollten. Als sie antworteten: "Nichts", sprach sie: "Hättet ihr mich gewollt, hättet ihr alles bekommen" und schlug eine Thüre hinter sich so zu, daß der Boden zitterte. Die Männer staunten nicht wenig ob dieser Geschichte und machten sich alsogleich aus dem unheimlichen Revier. (Weer.)

Neurettenberg auf dem Seppenhausbichl © Berit Mrugalska
Burgruine Neurettenberg auf dem Seppenhausbichl, Kolsassberg
die rechteckige Ringmauer wird je von einem Rundturm abgeschlossen

© Berit Mrugalska, 24. April 2005

Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 530, Seite 299.