FRAU HITT
In uralten Zeiten lebte eine mächtige Riesenkönigin, Frau Hitt
genannt, und wohnte auf den Gebirgen über Innsbruck, die jetzt grau
und kahl sind, aber damals voll Wälder, reicher Äcker, und grüner
Wiesen waren. Auf eine Zeit kam ihr kleiner Sohn heim, weinte und jammerte,
Schlamm bedeckte ihm Gesicht und Hände, dazu sah sein Kleid schwarz
aus, wie ein Köhlerkittel. Er hatte sich eine Tanne zum Steckenpferd
abknicken wollen, weil der Baum aber am Rande des Morastes stand, so war
das Erdreich unter ihm gewichen und er bis zum Haupt in den Moder gesunken,
doch er hatte sich noch glücklich herausgeholfen. Frau Hitt tröstete
ihn, versprach ihm ein neues schönes Röcklein und rief einen
Diener, der sollte weiche Brosamen nehmen und ihn damit reinigen. Kaum
aber hatte dieser angefangen mit der heiligen Gottesgabe also sündlich
umzugehen, so zog ein schweres, schwarzes Gewitter daher, das den Himmel
ganz zudeckte und ein entzetzlicher Donner schlug ein. Als es wieder sich
aufgehellt, da waren die reichen Kornäcker, grünen Wiesen und
Wälder und die Wohnung der Frau Hitt verschwunden und überall
war nur eine Wüste mit zerstreuten Steinen, wo kein Grashalm mehr
wachsen konnte, in der Mitte aber Stand Frau Hitt, die Riesenkönigin,
versteinert und wird so stehen bis zum jüngsten Tage.
In vielen Gegenden Tirols, besonders in der Nähe von Innsbruck, wird
bösen und muthwilligen Kindern die Sage zur Warnung erzählt,
wenn sie sich mit Brod werfen oder sonst Übermuth damit treiben.
"Spart Eure Brosamen, heißt es, für die Armen, damit es
euch nicht ergehe, wie der Frau Hitt. (Innsbruck, mitgetheilt nach Grimm.)
Höttinger Alm (urkundlich
erwähnt seit 1441) mit Frau Hitt Gebirge, Pfeil Frau Hitt
Sammlung Stadtarchiv Innsbruck, Ph-24871
Die Frau Hitt-Sage, Hans Hochegger, 1914 Dokumentation
Kommentar Zingerles zu Nr. 210
Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben
von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 210, Seite 127