DIE KASERMANNLEN ZIEHEN AB
Am Martiniabende sprachen mehrere im Wirtshause von den Kasermannlen,
die in dieser Nacht von der Alm abziehen und durchs Dorf kommen werden.
Da sagte ein Halbbetrunkener in seinem Übermuthe: "Ich fürchte
mich vor diesen Affen nicht und geh' erst nach Elfuhr heim." Er hielt
sein Wort und verließ erst um diese Zeit die Schenke. Bald fühlte
er Durst und machte beim Brunnen Halt - und trank. Da kam plötzlich
ein Trieb Schweine daher, denen ein Trieb Kühe folgte. Das schien
dem Bauer doch nicht geheuer, er machte rechtsum und lief wieder dem Wirtshause
zu, wo er mit einem dick geschwollenen Kopfe ankam. Die Kasermannlen hatten
ihn angeblasen.
- Als die Kasermannlen in der Martininacht um Eilfuhr durch's Dorf zogen
und es einen großen Lärm gab, stand ein neugieriger Knecht
auf und sah durch's Fenster auf den Weg. Da rief eine Stimme: "Dies
Balkele (Fenster) muß ich schon zuschieben" und es war, als
ob eine Hand hinauffahre. Seit diesem Augenblicke war der Knecht stockblind.
Kein Doktor konnte ihm helfen. Endlich gieng er zu einem frommen Geistlichen
und fragte um Rath. Dieser sagte, er solle in der Martininacht wieder
zu gleicher Stunde an demselben Fenster stehen, und es werde ihm geholfen
werden. Er vollführte es. Als die Kasermannlen um Eilfuhr lärmend
vorüberzogenzogen und die Kühe im Stalle brüllten, rief
die bekannte Stimme: "Im vorigen Jahre hab' ich hier das Balkele
zugemacht, jetzt muß ich's wieder aufschieben." Da fuhr eine
Hand über sein Gesicht und er war wieder sehend. (Navis.)
Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben
von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 142, Seite 87