DAS TOIFLSTANZL

Wo sich der Finsinggrund öffnet und schluchtartig hineinzieht in die Tuxer Voralpen, da liegt der Weiler Finsing. Dort soll es vor Zeiten im Gasthof "In der Ead" trotz seiner Abgelegenheit recht lustig hergegangen sein. Besonders gern wurde der Ort von den sogenannten "Blaumachern" aufgesucht. Die kehrten am Samstag ein und blieben oft bis zum Dienstag der folgenden Woche hocken, teils aus reiner Gewohnheit, zumeist aber, weil ihnen der reichlich genossene Alkohol Kopf und Beine so schwer gemacht hatte, dass es am sichersten war, wenn sie das Heimgehen aufschoben. So versoffen sie ihren gesamten Wochenlohn, und die Familien daheim mussten darben. Dass der Mensch bei solchen Saufgelagen nicht besser wird, sondern die Sitten nur allzu oft entarten, ist bekannt. Dem Teufel ist solch gotteslästerliches Treiben gerade recht, und darum hat er sich auch öfter "In der Ead" aufgehalten, um dem Treiben höllischen Schwung zu geben.

Nun geschah es einmal, dass sich unter den sauflustigen Zechern zwei Hartberger befanden. Ganze vier Tage und drei Nächte ließen sie sich volllaufen. Am Mittwochabend endlich torkelten sie schwerbeladen gegen Hart. Mit viel Mühe schwankten sie die steile Straße durch den Wald hinauf gegen die sogenannte "Hoppet" zu, wo zur damaligen Zeit ein Wirtshaus stand. Dort hatten sie ein seltsames Erlebnis: Da war plötzlich ein Jauchzen und Jodeln, ohne dass sie erkennen konnten, woher es kam. Endlich merkten sie, dass die Fenster beim Gasthaus "Zur Sonne" hell erleuchtet waren. Neugierig traten sie näher und schauten durchs Fenster. Was sie sahen, steigerte ihre Verwunderung noch mehr. Drinnen saß ein fremder Musikant und spielte auf einer Bassgeige eine merkwürdig schnarrende Melodie, immer von neuem die selben paar Takte. Zu diesen seltsamen Tönen drehten sich zahlreiche schattenhafte Gestalten, sie hopsten und hüpften und machten ein höllisches Durcheinander.

Endlich fand einer der beiden Trunkenbolde die Sprache wieder und fragte seinen Zechkumpanen mit lallender Zunge, ob da eine Hochzeit veranstaltet werde. Der aber meinte, solches sei ganz unmöglich, denn an einem Mittwoch gebe es in Hart niemals eine Hochzeit. Da begann es den beiden allmählich zu dämmern, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Sie bekamen es mit der Angst zu tun, bekreuzigten sich und sprachen die heiligsten Namen aus. Im selben Augenblick war der ganze Teufelsspuk verschwunden. Das war ihr Glück, dass sie sich rechtzeitig besonnen hatten. Wer weiß, was sonst in dieser Nacht mit ihnen geschehen wäre. So schnell sie die Füße trugen, strebten sie ihrer Behausung zu, die sie ohne weiteren Zwischenfall erreichten. Von dieser Nacht an waren die beiden Saufbrüder von ihrer unseligen Leidenschaft geheilt und gingen jedem Wirtshaus aus dem Weg. Die Melodie aber, die sie damals in der "Sonne" gehört hatten, ist einem der beiden nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Darum hat er eines Tages die Noten von diesem Höllenlandler aufgezeichnet. Auf diese Weise ist das "Toiflstanzl" bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben.

Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 20