Die bekehrten Nachtschwärmer

Auf halbem Weg von Zell nach Hainzenberg steht die "Lourdes-Kapelle", wo sich vor langer Zeit Folgendes zugetragen hat:

Beim "Tatscher" in Hainzenberg standen zwei junge Knechte im Dienst. Werktags arbeiteten sie fleißig, am Samstag nach Feierabend aber machten sie sich regelmäßig auf nach dem gegenüberliegenden Zellberg. Dort hatten sie ihre Mädchen und vergnügten sich bei Tanz und allerlei scharfen Getränken. Kein Wunder, wenn sie nach durchzechter, durchtanzter Nacht öfter als einmal die heilige Sonntagsmesse verschliefen.

Meist traten sie gemeinsam den Rückweg an, wobei einer den anderen stützte, weil sie nicht mehr sicher auf den Beinen waren. Einmal aber traf es sich, dass sich einer verspätete und allein den Hainzenberg aufwärts strebte. Bei der Lourdeskapelle versperrte ihm plötzlich eine Felswand den Weg. Er kam weder vorbei noch darüber. Da trat er in die Grotte, fiel auf die Knie und betete ein paar Vaterunser. Danach war der Weg frei, und er kam ohne weitere Behinderung heim.

Lourdes-Kapelle am Hainzenberg
Lourdes-Kapelle am Hainzenberg
Schild: "Ich bin die Unbefleckte Empfängnis"
© Berit Mrugalska, 5. September 2004

Sein Gefährte war schon dort, sah aber ziemlich verstört aus. Er hatte auf dem Heimweg Axthiebe vernommen, und als er stehen geblieben war, um nach dem "Sonntagsschinder" Ausschau zu halten, war ihm ein Mann vor die Füße gefallen. Hilfsbereit hatte er ihn aufheben wollen, der Mann aber war in der Mitte entzwei gebrochen und plötzlich wieder verschwunden. Da hatte den Burschen das Grausen gepackt, und er war auf schnellstem Weg heimgerannt.

Bronzetafel Lourdes-Kapelle
Bronzetafel Lourdes-Kapelle, Hainzenberg (Gerlostal)
"1870 wurde die Grotte von Bergknappen zum Dank
und zu Ehren der Gottesmutter von Lourdes
errichtet und 1947 sowie 1997 renoviert.
Allen Spendern und Wohltätern Vergelt's Gott!"
© Berit Mrugalska, 5. September 2004

Von da an kamen sie von einer Unterhaltung stets vor Mitternacht nach Hause.

Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 55f.