Die armen Seelen auf Kummerland

Kommt man aus dem Gerloser Graben heraus und schaut bei "Maria Rast" auf die gegenüberliegende Talseite, fällt der Blick auf Kummerland, wo sich vor geraumer Zeit Merkwürdiges zugetragen hat:
Als dort noch auf offenem Feuer gekocht wurde, sah man in der Glut oft zwei Feuermandln hin- und hergehen. Sie machten ein verdrossenes Gesicht und jammerten in einem fort:

"Da müssen wir es suchen, da müssen wir es suchen!"

Die Hausleute wussten sich nicht anders zu helfen, als ein paar Tropfen Weihbrunn in die Glut zu sprengen, worauf die Mandln stets verschwanden. Erlöst wurden die Geister dadurch allerdings nicht, denn nach ein paar Tagen waren sie wieder da mit ihrem Gesumse. Auch des Bauern Bruder wohnte auf dem Hof, zum Arbeiten taugte er aber nicht, denn er war ein rechter Nichtsnutz, er spielte, soff und verluderte das Geld.

An einem Allerseelentagabend war es, dass die Hausleute schon in den Betten lagen, nur der Bruder döste noch auf der Ofenbank vor sich hin. Im Küchenherd verglimmte die letzte Glut. Plötzlich ging ein Gejammer durchs ganze Haus, dass alles wach wurde.

Die Bäuerin eilte mit dem Weihbrunnkrügl die Stiege herab und wollte in die Küche, doch hielt sie der Bruder zurück. Er selbst werde nach dem Rechten sehen. Als er vor dem Herd stand, jammerte es aus der Glut:

"Da müssen wir es suchen, da müssen wir es suchen!"

"Nichts habt Ihr mehr zu suchen", meinte der Saufbruder.
"Wir haben es schon gefunden!"

Da fuhren zwei weiße Nebel auf und durch den Rauchfang hinaus.

"Gott sei's gedankt, Gott sei's gedankt!",


hörte man noch, dann war der Spuk vorbei, und die Feuermandln ließen sich nie mehr blicken. Der Bruder des Bauern aber war von der Stunde an ein rechtschaffener Mensch.


Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 74f.