Der Geist auf der Fasseraste
Auf der zum Fasserhof auf dem Zellberg gehörenden Aste hauste vor vielen Jahren ein Geist. Der schreckte den Melker jede Nacht durch allerlei Geräusch aus dem Schlaf. Zu sehen bekam ihn der Bursche aber nicht, obwohl er oft vor lauter Angst mit offenen Augen in der Schleime lag.
Eines Nachts ging lautlos die Hüttentür auf. Eine weiße Frau betrat den Raum. Ohne ein Wort zu sagen, ließ sie sich auf einem Stuhl nieder und sah den Melker flehend an. Der aber, schweißnass vor Angst, zog sich die Decke über den Kopf und getraute sich kaum zu atmen. Endlich vernahm er Schritte, die sich langsam entfernten. Bald darauf hörte er die Hüttentür ins Schloss fallen. Da steckte er den Kopf hervor und dankte Gott, dass der Geist verschwunden war.
Am nächsten Abend nach getaner Arbeit stieg der Melker zum Fasserhof
ab. Er wollte nicht mehr allein auf der Aste übernachten und nahm
lieber zweimal täglich den langen und beschwerlichen Weg auf sich.
Seine Ängstlichkeit hatte ihn daran gehindert, dem Geist das erlösende
Wort zu sagen, auf das dieser bei seinem Besuch so sehnlich gewartet hatte.
Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 52f.