Der Mühltalriese

Vor vielen Jahren lebte im Mühltal, Wildschönau, ein gewaltiger Riese. Viele Zwerge dienten ihm. Wegen seiner Grausamkeit war er gefürchtet. Oft packte er Leute, die gerade auf dem Felde arbeiteten, und trug sie ein Stück fort.

Einmal trug er einem Bauern, der pflügte, die Pferde davon. Zornig hob der Bauer einen Stein auf und warf ihn dem Riesen nach.

Der Riese meinte, eine Mücke habe ihn gestochen, packte den Bauer und warf ihn auf den Mond hinauf. Für die Leute war der Riese eine wahre Plage. Alles wäre froh gewesen, wenn ihn jemand umgebracht hätte. Niemand aber wagte es.

Da erbot sich ein schneidiger Bursche, dies auszuführen. Heimlich schlich er sich in das unterirdische Schloß des Riesen und als er diesen schlafend fand, schlug ihm der mutige Bursche das Haupt ab.

Als die Zwerge den Riesen nicht mehr schnarchen hörten, meinten sie, er sei erwacht. Sechs Zwerge trugen einen Schuh und fünf schleppten den Stock. Als sie in den Saal des Riesen traten, sahen sie, daß er tot sei. Sie begannen nun zu klagen und verwünschten den Burschen in den Glasberg, wo er heute noch auf seine Erlösung wartet.

    Hans Heiß

Quelle: Der Sagenkranz der Wildschönau, in: Heimat Wildschönau, Ein Heimatbuch, Dr. Paul Weitlaner, Schlern-Schriften Nr. 218, Innsbruck 1962, S. 125 - 155.