Das Meerauge

Am Ostabstieg des Lämpersberges, unterhalb der "Steinernen Mandels", schillert uns wie ein Diamant, umsäumt von grünen Rasen, das Meeraug entgegen. Unergründlich tief soll es sein und bis ans Meer reichen, meint der Volksglaube.

Ein Senner hatte sich in den Kopf gesetzt, die Tiefe dieser Lache zu ergründen. Er nahm einen Spagatknäuel, den er mit aller Mühe zur Stelle tragen mußte, so groß und schwer war er. Dort angelangt, band er einen schweren Stein daran und wickelte ab.

Als er noch nicht ganz fertig war, rief eine grollende Stimme aus der Tiefe: Gründest du mich, so schluck ich dich!

Voll Schreck lief der Senner davon, die Lache aber blieb unergründlich.

    Adolf Mühlegger

Quelle: Der Sagenkranz der Wildschönau, in: Heimat Wildschönau, Ein Heimatbuch, Dr. Paul Weitlaner, Schlern-Schriften Nr. 218, Innsbruck 1962, S. 125 - 155.