Allerseelenmugelen

Landesbrauch ist es bei den Bauern, am Allerseelentage den Bettlern Brötchen oder Krapfen zu reichen. "Allerseelenmugelen" nennt man das Gebäck, und als war die Gabe allen Rechtens ein ihnen zukommender Zins, wachen die Armen eifervoll darüber, daß die Mugelen ihre herkömmliche Größe und Güte behalten. Was Wunder, daß sie laut schalten und jammerten, als etliche Großbauern in Wattenberg, Vögelsberg und Wattens aus schimpflichem Geiz die Bettlergabe von Jahr zu Jahr kleiner und dürftiger buken. Einmal, als wieder die Allerseelennacht hereingebrochen war, geschah es, daß ein hageres, ganz zerlumptes Weib am Halbeismarterl in Vögelsberg vorbei und hinunter gegen Wattens gelaufen kam, an jeder Hand ein barfüßiges, halbnacktes Kind, und mit heiserer Stimme schrie:

"Beim Bipfl, beim Buggl, beim Halbeis, beim Stoan machn's die Seelenmugelen viel z'kloan!"

Vögelsberg, Wattens © Berit Mrugalska
Vögelsberg mit der gleichnamigen Volksschule (Neubau mit Flachdach)
© Berit Mrugalska, 4. Feburar 2005

Ihre Klage machte weit und breit die Runde und gereichte den geizigen Bauern zu argem Spott. Fortan wachten sie selber darüber, daß die Allerseelenmugelen an Größe und Beigaben wieder richtig gerieten. Nur zwei Bauern, die den warnenden Ruf mißachteten und an den Brötchen und Krapfen weiter knauserten, mußten es erleben, daß über ihr Haus und Feld großes Unglück kam.

Quelle: Sagen aus Wattens und Umgebung; gesammelt von den Schulkindern in Wattens und Wattenberg. In: Wattener Buch, Beiträge zur Heimatkunde von Wattens, Wattenberg und Vögelsberg. Schlern-Schriften 165, Innsbruck 1958. S. 309 - 326.