Die Halden in Schwaz

Jedem Reisenden fallen schon von weitem die kahlen Haldengebiete im Osten von Schwaz auf. Es sind das teilweise Schutthalden aufgelassener Bergwerke, teilweise aber rühren sie von Felsstürzen her. Alljährlich im Frühjahr poltern größere und kleinere Felsstücke, durch die Wirkung des Wassers und Eises losgelöst vom "Eiblschrofen" herunter. Ein Marterl am Eingang in die oberen Halden zeigt uns noch den Stein, der vor Jahren ein mit Ochsen bespanntes Heufuder samt Begleitung begraben hat. Am Fuße des Hanges wird ein kleines, gemiedenes Plätzchen "Ohnesorge" genannt, weil sich da ein Bergherr dieses Namens, durch Mißerfolge im Bergbau getrieben, selbst den Tod gab. Das letzte Opfer forderten die Halden erst im Winter 1924, in dem eine Stein- und Schneelawine eine Frau verschüttete. Kein Wunder, wenn daher die Bewohner der Umgebung bei Nacht diese Wege meiden und sich allerlei Spukgeschichten erzählen. Bis vor kurzem wurden noch immer die Irrlichter friedloser Seelen von Stein zu Stein, Halden auf und Halden ab springen gesehen. Auch das "Haldenweibele"treibt dort, sogar bei Tag, sein Unwesen. Ein Wanderer bemerkt zu Mittag vor sich ein altes Weiblein humpeln. Wie er in die Nähe kommt, fällt ihm die uralte Tracht desselben auf. Da biegt es in ein Weglein ein, das zu einer verfallenen Knappenstube führt. Bevor es zwischen den Mauerresten verschwindet, blickt es um. Ein unförmiges Lehmgesicht läßt den Einsamen erschreckt aus dem unheimlichen Gebiet eilen. Dieses Weiblein soll die Wirtin einer Knappenschenke gewesen sein, die durch Unredlichkeit die Bergleute betrog. Dafür muß sie nun in alle Ewigkeit hier hausen.

Auch die Irrwurz fällt in das Gebiet der Halden.

Ging da ein Mann nach Betläuten von Schwaz nach Gallzein. Plötzlich verlor er den Weg. Die Angst trieb ihn weiter, dem Ausgang der Halden zu. Doch nie wurden die Steine weniger. Endlich, beim Morgengrauen, mit dem ersten Schlag der Aveglocke, stand er vor der Kirche zu Margareten, weiß nicht wie er hierherkam, noch was er da zu tun hätte.

Trotzdem sind die Halden ein weites Vergnügungsfeld für die Schwazer Kinder. Ich selbst habe so manche zerrissene Hose und zerschundene Glieder, zum Schrecken der Mutter, von da herein gebracht. Alle verlassenen Stollen wurden angetroffen und durchforscht. Auf Taxen sausten wir blitzschnell über die kleineren Steine der unteren Halde. Im "Mehlsand" wurden Häuser und Burgen gebaut. Uns konnte keine Irrwurz, kein Geisterlicht, noch das "Haldenweibele" schrecken, denn wir Kinder, so sagte man uns, seien gegen alle Geister gefeit.

Brandl

Quelle: Eduard Brandl, (Sagen über) Die Halden in Schwaz, in: Tiroler Heimatblätter, 3. Jahrgang, Heft 7, Seite 14.