Der erlöste Almputz

Auf der Loschbodenalm - sie gehörte damals einem ledigen Bauern - trieb sich ein Almputz herum, der den Leuten das Dasein durch nächtliches Geheule verleidete. Mit der Zeit wollte kein Mensch mehr hinauf. In seiner Bedrängnis wandte sich der Bauer an den Mayrhofner Pfarrer, der folgenden Rat gab: "Am Karfreitag steige ein Mensch mit reinem Herzen zur Alm auf. Schlag Mitternacht müsse er die Hütte betreten, das Kreuz aus dem Butterkübel nehmen und vor der Tür in den Boden stecken. Damit werde die arme Seele erlöst sein."

Der Bauer bedankte sich und ging heim. Nach dem Nachtmahl erzählte er den Dienstboten davon und fragte, ob einer den Mut habe, den Gang zu tun. Eine Kälberkuh wollte er dafür geben. Als von den Mannsleuten keiner Lust dazu spürte, erklärte sich die Jungdirn bereit. Am Karfreitagabend brach sie auf. Auf halber Höhe verrichtete sie vor einem Wegkreuz ein kurzes Gebet. Da hörte sie hinter sich eine Stimme:

"Madl, gewinnst du die Kuh?"

"Und's Kalbl dazu!", antwortete sie furchtlos und setzte ihren Weg fort.

Als sie zur Hütte kam, schlug es im Dorf Mitternacht, gleichzeitig wurde es hell in der Stube. Die Dirn warf einen Blick durchs Fenster und sah ein Mandl, das am Herd stand und in der Pfanne Mus rührte. Kurz entschlossen trat sie ein und setzte sich an den Tisch. Da stellte das Mandl die Pfanne vor sie hin und schrie: "Entweder isst du mein Mus, oder ich zerreiß dich zu Laub und Staub!" Es war ein grausiger Brei, den der Putz aus Asche und Wasser zubereitet hatte. Aber wie sehr sich die Dirn auch ekelte, es blieb ihr keine Wahl. Und siehe da, das "Mus" schmeckte gar nicht übel. Als sie die Pfanne leergelöffelt hatte, war das Mandl verschwunden. Da packte sie rasch das Kübelkreuz, rannte vor die Hütte und stieß es in den Boden. Im selben Augenblick stieg ein blaues Flämmchen vom Höllenstein hinauf gegen den Sternenhimmel. Die arme Seele war erlöst.

Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 134f.