Der Vater kam besessen heim

Ein Besitzer des vor einigen Jahren abgebrannten Eggelerhofes, einer der Sillhöfe bei Innsbruck, war vor Zeiten mit einer Fuhre ins Etschland verreist. Eines abends hörte die Bäurin draußen einen Peitschenknall und rief ihrem Bubi zu:

Geah aussi, es schnellt jo, iatz kimmt dr Votr!

Als der Bube vor das Haus getreten war und niemanden sah, ging er in den Stall nachzuschauen, ob vielleicht der Vater beim Versorgen der Pferde sei. Allein er war auch hier nicht zu finden. Bei der Gsottruhe sah dagegen der Bube ein Manndl lehnen, das hatte eine mächtige weiße Hahnenfeder auf dem Hute, weiße Hemdärmel und Kniehosen mit grünen Hosenhebern. Das Bürschl fragte nun den Eindringling:

Wos tuest denn du do? -

Host nicht dernoch z'frogn! ent-gegnete das Manndl.

Wort nar, dr Votr kimmt! drohte darauf der Bube;

aber das Manndl lachte höhnisch: Jo, dr Votr kimmt! Wear woaß wo dear ist!

und war im selben Augenblick verschwunden. Der Vater kam am selben Abend nicht. Am folgenden Tag aber brachten sie ihn kloaverruckt [total verrückt]. Das hatte ihm der Teufel angetan; weiß Gott wie er über ihn Macht bekommen hatte. Man wußte sich nicht zu helfen, da er fürchterlich tobte und kaum zu bändigen war, bis man ihn endlich zum Pfarrer von Fließ hinauf nahm. Der richtete ihn wenigstens so zusammen, daß er den Leuten nichts mehr antat, aber narisch blieb er für sein Lebtag. Als er starb, tat's im ganzen Hause einen schrecklichen Rumpier, was ein sehr schlimmes Zeichen ist. Ich will zwar nicht sagen, daß ihn gerade der Teufel geholt hat, aber Rechtes ist's doch nichts gewesen.

Quelle: Der Vater kam besessen heim, Dörler, Tiroler Teufelsglaube, ZfVk. 9, 1899, 364 zit. nach Will-Erich Peuckert, Ostalpensagen, Berlin 1963, Nr. 215, S. 115f