Der Kasergeist
Auf einer Alm in der Nähe von Kitzbühel lebte vor langer Zeit eine Sennerin, die als die Schönste von weit und breit galt. Sie war auf ihre Schönheit auch nicht wenig stolz und betrachtete manchen gar verächtlich. Zur gleichen Zeit lebte auf der Nachbaralm ein bildsauberer Hirte, von dem die Rede ging, daß er von einem Bergmännlein einen großen Schatz erhalten habe. Für diesen Hirten hatte die Sennerin Aug' und Ohr. Doch der Hirte betrachtete sie nicht und liebte eine Bauerntochter. Die Sennerin versuchte alles, um den Hirten für sich zu gewinnen. Doch vergebens. Darüber ärgerte sie sich viel. Einmal sagte sie im Zorn: "Entweder will er mich, oder ich werde Almgeist."
Eine Sennerin oder Bäuerin mit Edelweiß
und Alpenrosen im Arm
Wandbild an der Talstation Hahnenkamm, Kitzbühel
Künstler und Architekt Alfons Walde (1891 Oberndorf - 1958 Kitzbühel)
© Wolfgang
Morscher, 29. Mai 2005
Der Hirte heiratete bald darauf die Bauerntochter. Am Hochzeitstage lag die Sennerin krank im Bette. In der folgenden Nacht starb sie. - Im Sommer wohnte sie als Geist in einer Waldhöhle, im Herbst bezog sie die Almhütte und blieb darin bis zum Frühjahr. Man nannte diesen Geist den "Kasergeist."
Quelle: Anton Schipflinger in: Kitzbühler
Nachrichten, 1939, Nr. 11, S. 6.
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner
näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger
Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler,
Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).