Der Fehdegang
Ein Burgherr von Kaps war mit dem Ritter von Münichau in arger Fehde. Monatelang schickten sie sich einen Fehdebrief um den anderen. Endlich wagten sie es im Zweikampf Schluß zu machen. Während sich der Burgherr von Kaps zum Kampf kleidete, eilte ein Bote seinem Schlosse zu und brachte die Nachricht, daß der Ritter von Münichau schwer erkrankt ist und man schon einen Priester zum Versehen geholt habe. Diese Nachricht erschütterte den Burgherrn furchtbar. Schnell sattelte er das Roß und ritt nach Münichau, um sich mit dem dortigen Ritter zu versöhnen. Wie er in den Münichauer Schloßhof trat, überbrachte ein Schloßdiener den Knappen die traurige Nachricht, daß ihr Herr, dem sie eine Viertelstunde zuvor noch die Hand gereicht hatten, verschieden ist. Auch der Kapser Burgherr hörte diese Nachricht. "Zu spät", rief er und sank zu Boden.
Als er zu sich kam, war er irre. "Ich bin Schuld", sagte er oft.
Lange Jahre war der Burgherr von Kaps irre. Eines Tages kam er von seinen Gedanken heraus und war von dem unglücklichen Wahne befreit.
Aus diesem Anlaß stiftete er eine Jahresmesse, welche in der Schloßkapelle
gelesen werden mußte, und zwar an dem Jahrestage des Todes des Münichauer
Ritters.
Quelle: Anton Schipflinger in: Kitzbühler Nachrichten
1939, Nr. 43, S. 6.
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner
näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger
Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler,
Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).