Der verbannte Bauer auf dem Totenkirchl
In Kössen, so erzählt man sich, lebte der Sohn eines reichen Bauern mit seinem alten Vater in Unfrieden. Als der Alte zum Sterben kam, wollte er mit seinem Sohn Frieden machen und ließ ihn bitten, zu kommen. Der Sohn aber kam nicht. Da sprach der Vater im Sterben: „Gut, so werde ich als Toter zu ihm kommen!” Nach des Vaters Tod übernahm nun der Sohn als einziger Erbe das reiche Anwesen. Da kam nachts vom Wilden Kaiser her eine Feuersäule und zündete das Haus an; alles verbrannte. Die Leute sagten: „So, jetzt ist sein Vater gekommen!” Er aber entgegnete spottend, sein Vater könne kommen, so oft er wolle, und er baute Haus und Stall schöner denn zu- vor auf. Das Feuer kam wieder und vernichtete alles. Nachdem er das Haus wiederum aufbaute, brannte es abermals ab und der übermütige Sohn war ruiniert. Die Leute im Ort aber fürchteten sich und baten einen frommen Mönch, er möge kommen und den Vater beruhigen. Das tat der Pater und verbannte den unglücklichen Vater auf das Totenkirchl, von wo der Wind heute noch manchmal seine Klagen herunterträgt.
Quelle: OSR Anna Mantinger, Kirchdorfer Sagen und Leit, in: Kirchdorf in Tirol, HG Gemeinde Kirchdorf in Tirol, 2005, S. 136. Nach Herbert Jennewein, dieser nach Anton Karg.