Die Berghexe
Schon lange ist es her, da hauste auf dem Kitzbüheler Hörn eine Hexe, die besonders wegen ihrer bösen Krankheitszauberei in üblem Rufe stand. Durch allerlei Mittel hexte sie den Leuten Krankheiten an. Damals lebten in der Gegend drei mutige Burschen, und diese wollten der Berghexe - so wurde sie geheißen - den Garaus bereiten. In aller Stille schmiedeten sie ihre Pläne. An einem Sommertage schritten sie zur Ausführung. Sie schlichen, jeder allein, zur Höhle der Hexe, baten um Einlaß und plauderten mit der Hexe eine Weile, bis alle drei beisammen waren. Dann überfielen sie die Hexe, banden sie und forderten von ihr die Zaubermittel. Ohne ein grobes Wort zu verlieren, grinste sie die Burschen an und sagte: "Schnell verhunger' ich nit und zaubere mit dem Mund."
Das Kitzbühler Horn, Tirol
© Wolfgang
Morscher, 29. Mai 2005
Da die Hexe die Forderung der lachenden Burschen nicht erfüllte, zogen sie ab und nahmen sich vor, in den nächsten Tagen wieder zu kommen.
Unterdessen kam eine andere Hexe und löste die Fessel der Berghexe.
Nun wollte diese Rache üben, soviel sie nur die Kraft dazu besaß. "Ein Seuche schicke ich den boshaften Bauern", keuchte sie wild. Schon wollte sie die Zauberformeln aussprechen, da wehrte die Retterin ab:
"Tu's nit, 's könnt auch dein Tod werden."
Schließlich ließ sich die Berghexe überreden. Auch zog
sie es vor, in eine andere Gegend zu ziehen, um dort ihr Handwerk auszuüben.
Quelle: Anton Schipflinger in: Kitzbühler Nachrichten,
1939, Nr. 11, S. 6.
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner
näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger
Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler,
Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).