Sinnwell bei Kitzbichl.
Bekanntlich brachte vorzeiten der Bergbau auf Edelerze in Tirol Geld und Wohlstand ins Land. Auch Kitzbichl nahm Anteil daran. Südlich von dem Städtchen erhebt sich der Schattberg. Sein Inneres barg einstmals Kupfer- und Silbererz, über die Entstehung des Bergwerkes erzählt die Sage:
An der Reiter Ache wurde damals im sogenannten „Fuggerbau“ bereits nach Erzen geschürft, Daselbst lebte in einem winzigen Häuschen ein armer, kinderreicher Knappe, der bei seinem kargen Verdienste und der großen Familie ein kümmerliches Dasein fristete. Der Kummer drückte ihn auch in schweren Träumen. In einer gewitterschwülen Nacht träumte ihm einst, er sehe hinter seiner Hütte einen bläulichen, in Nebel gehüllten Feuerschein der Erde entströmen und zum Himmel steigen. Der Feuerschein nahm immer die Gestalt eines gebogenen, dicken Stockes von bedeutender Länge an. Dieser Traum wiederholte sich öfters. Als der Knappe wieder in einer Nacht hievon träumte und erwachte, stand er auf, trat vor die Hüttentür und wirklich bemerkte er auch im machen Zustande dieses wie angezündeter Schwefel brennende Feuer. Er maß ihm eine besondere Bedeutung zu. In dem nahen Kniepaß lebte zurzeit ein frommer, weiser Eremit, zu dem die Bevölkerung von weit und breit kam, um von ihm Rat zu holen. Auch der Knappe fragte ihn um die Deutung seines Traumes. Dieser riet ihm nun: „Gott sieht deine Not und deinen Kummer und will dir helfen, da du zu ihm das Vertrauen nicht verloren hast. Grabe an der Stelle, wo das Feuer dem Erdboden entströmt, denn reiche Erdschätze dürften hier verborgen sein.“
Der hocherfreute Knappe grub nun in freien Stunden unermüdlich einen Schacht, aber seine Mühe schien vergeblich, die verheißungsvolle Erzader wollte sich nicht zeigen. Er geriet in Zweifel und Sorge und machte das Gelübde, ein Kloster für fromme Mönche zu gründen, wenn sich ihm der gleißende Erdschatz zeigen würde. In der folgenden Nacht ging er beim Scheine des Mondes hoffnungsfreudiger an seine Arbeit. Er hatte kaum die Arbeit in Angriff genommen, so erschien ihm ein mit brauner Kutte bekleideter Mönch mit wallendem Barte, die Kapuze über das Haupt gezogen, und riet ihm, den angefangenen Schacht in entgegengesetzter Richtung fortzusetzen. Er befolgte den Rat des geheimnisvollen Mönches und siehe da. um Mitternacht, als der Mond gerade am höchsten stand und sein Licht die Landschaft überzog, funkelte und gleißte es dem Suchenden entgegen. Er war auf eine reiche Erzader gestoßen und es entstand dann in der Folge der so berühmt gewordene Bergbau Sinnwell. Der Knappe erhielt reichen Lohn und die Not hatte ein Ende.
Von H. v. d. Trisanna.
Quelle: Aus der heimischen Sagenwelt, in: Tiroler Heimatblätter, 4. Jahrgang, Heft 11, November 1926, S. 343.