Der lustige Schnackler auf der Griesner Alm

Schnalzen mit Fingern und Zunge heißt man Schnackeln. Auf der Griesner Alm war einst ein lebensfroher, junger Hirte, der konnte gar so prächtig schnackeln und auch recht schön singen. In der Einsamkeit, zwischen Felswänden über Stein- oder Schneekare mit seinen Schafen ziehend, schnackelte und sang er oft so laut, dass man ihn weitum hörte. Doch eines Tages war er ernst und nachdenklich geworden. Vom Senner der Ranggenalm, die 300 Meter über der Griesner Alm liegt, über den Grund seiner Verstimmung befragt, erklärte er: „Ich weiß gar nicht, was das ist: Wenn ich am Berg so lustig schnackle, dann macht mir das jetzt immer einer nach, und je stärker ich schnackle, desto lauter schnackelt auch er. Das ist aber kein Echo, kein Widerhall. Es ist jemand, der mich nachahmt, aber weitum ist kein Mensch zu sehen. Dazu kommt, dass mich dieser Unbekannte nur an Freitagen nachahmt. An den anderen Tagen nicht.” Bald darauf, an einem Freitag, stürzte der Hirte samt einem Schafe von einer hohen Felswand und wurde zerschmettert in einem tiefen Abgrund gefunden. Ob das Schaf die Ursache seines Sturzes war, oder ob, wie andere glauben, irgendein Berggeist ihn in den Tod gelockt hat, weil ihm dieses frohe Treiben an Freitagen in dieser tiefernsten Natur nicht gefiel, weiß niemand. Der Senner auf der Ranggenalm hörte später noch oft schönen Gesang, aber nur, während er melkte; hörte er zu melken auf, um zu horchen, so hörte auch der Gesang auf.

Quelle: OSR Anna Mantinger, Kirchdorfer Sagen und Leit, in: Kirchdorf in Tirol, HG Gemeinde Kirchdorf in Tirol, 2005, S. 137. Nach Herbert Jennewein, dieser nach Anton Karg.