Der Tod und die Todin

Zur Zeit der großen Sterb, als die "Höttingerried" ganz ausgestorben war, wovon noch jetzt der "Pestfriedhof" auf einem Hügel zu sehen ist und als Wallfahrt besucht wird, kam in der Regel gegen Mitternacht der Tod mit einer Sense über die Achsel und eine Todin mit einem Rechen und einem Besen in der Hand auf dem Platzl vorm "Stamser" zusammen. Er kam von Kranewitten über die Allerheiligenhöfe und die Höttinger Seite dahin, sie aber kam von Weiherburg, Büchsenhausen und Ried. Der Tod fragte nun die Todin aus, und sie gab Rechenschaft über ihr Vernichtungswerk. Es schien, daß sie ihm unterthänig war.

Pestfriedhof © Berit Mrugalska
Höttinger Pestfriedhof, Innsbruck
© Berit Mrugalska, Februar 2005

 

Einst kam die Todin auch, und der Tod fragte sie:

Häscht D' toll ausköhrscht? (hast du viele ausgekehrt?)

Darauf sagte sie:

Ausköhrscht han i heint nöt, g'rad alls z'samm g'recht.

"Pestfreithof Hötting © Berit Mrugalska
"Pestfreithof Hötting 1625", Innsbruck
© Berit Mrugalska, Februar 2005

Da zeigte sich der Tod zufrieden und grunte sie nicht an, wie ein Bär, wie er sonst zu thun pflegte. Die Leute meinen, daß sie an diesem Tage so viel tötete, daß sie nicht zum kehren Zeit hatte, sondern den Rechen hernehmen mußte.

Quelle: Mythen und Sagen Tirols, gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Zürich 1857, S. 347