Der Silldrache

Dort, wo die Sill ihre Wasser ins Inntal herausspeit, fuhrt eine schaurige Schlucht hinein in das düstere Waldgebirge; rechts und links erheben sich steile Wände, die von dunklen Tannen bewachsen sind, doch im Gerölle verborgen liegt nach altem Bericht manch Körnlein funkelnden Goldes.

Woher das Gold wohl sein mag?

Innen in einer Höhle lag vor Zeiten ein Drache, der hütete einen Ungeheuern Schatz. Hin und wieder schlug eine Welle über den Rand der Höhle, raubte verstohlen vom Golde, führte es heraus und warf es über den Wasserfall den Menschen zu.

Manchmal verließ der Drache seine Höhle, um Ausschau zu halten, ob wohl niemand in der Nähe wäre, der ihm das Gold rauben könnte. Wie der Wind über das Meer hinbraust und die Wellen hin- und herwirft und wie der Wildbach reißend dahinströmt, so raste das Ungetüm heraus, drang durch die Felder, zerstörte Haus und Hof, Garten und Gefilde und erfüllte alles ringsum mit Schrecken.

Quelle: Hans Gamper, Wilten in der Sage, in: Wilten - Nordtirols älteste Kulturstätte, Hans Bator, Bd. I, 1924, S. 49