Das Weib und die Kröte

Ein Weib aus Steeg im Lechthal [Lechtal] gieng über die Dürenauer Brücke und sah dort auf dem Boden eine Kröte liegen, welche einen sehr großen Bauch hatte. Sie schob dieselbe mit dem Fuß beiseite und sagte einen Scherz:

"Wenn deine Zeit kommt, werde ich dich pflegen."

Da klopfte es plötzlich in einer Nacht, und die Frau wurde auf den Bidmig, nach anderen auf den wilden Rasten getragen, wo sich ein Felsen öffnete. Die Frau trat nun in einen schönen Palast … Von Steeg aus sah man sie oft an den Schrofen Windeln aufhängen. Als die Zeit um war, gab ihr ein Zwerglein zum Dank einen Sack voll Kohlen und nahm die Frau mit sich bis zu einem bestimmten Platze. Als nun die Frau allein war, dachte sie, die Kohlen trage ich nicht mit, leerte das meiste aus und gieng nachhause [sic]. Dort hatten wegen ihrer Ankunft alle eine große Freude. Nun wollte ihnen aber die Frau auch den Lohn zeigen und fand in dem Sacke einige Stücke helles Gold. Nun kehrte sie freilich noch an die Stelle zurück, wo sie den Sack ausgeleert hatte, aber sie fand nichts mehr.

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Die gleiche Sage findet sich in Fließ, nur dass statt der Kröte eine Spinne eintritt. Beide Thiere [Tiere] gelten als glückbringend. Im Lechthale [sic] spießt man im Stalle eine Kröte. Häufig ist auch das Krötenküssen bei Schatzhebungen in Tirol zu finden.

Quelle: Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf Heyl, Brixen 1897,
Nr. 34, S. 29f