Der arme Teufel
Auch für den Teufel hat es einmal bessere Zeiten gegeben, als es ihm nämlich noch gestattet war, leibhaftig in den Kirchen sich blicken zu lassen. Freilich war er da nicht freizügig, denn die Betstühle waren ihm verboten, und er durfte nur auf den Pfeilern oder Fensterbogen sitzen und von da ans die Leute beobachten.
Einmal kam er zum Hochamt in die Kirche und schleppte eine großmächtige
Ochsenhaut hinter sich her, auf der er die Namen aller verzeichnen wollte,
die in der Kirche schwatzen. Weil aber in der großen Menge von Andächtigen,
die hier versammelt waren, erklecklich viele schwatzten, stand die Ochsenhaut
bald voller Namen, und doch waren viele noch nicht drauf, die doch in
einemfort [in einem fort] redeten,
als stünden sie auf dem großen Markt vor der Bude des Siebenkreuzerjuden.
Da ward selbst dem Teufel bange, wie er sich die andern Namen auch noch
merken solle. Endlich kam ihm ein guter Gedanke. Er wollte die Ochsenhaut
durch Ausziehen vergrößern; daher fasste er das eine Ende mit
der Hand und das andere mit den beiden Füßen und zog und streckte
mit ach und krach, dass ihm der Schweiß vom Leibe troff und auf
die Köpfe der Beter unten. Ein Tropfen patschte einem frommen Mann
das Gesicht herab, er schaute auf, was da oben wäre, und sah den
Teufel bei seiner Arbeit. Der Mensch betete nun so inbrünstig, dass
es hätte einen Stein erbarmen müssen, der Herrgott möge
die Haut des Teufels entzwei brechen lassen. Da auf einmal krach! riss
die Ochsenhaut von oben bis unten, als wäre eine Naht darin gewesen,
und der Satan, der dies nicht ahnte, purzelte kopfüber kopfunter
vom Kirchenfenster auswärts auf das Pflaster hinab und blieb dort
solange liegen, bis er durch neue Schwätzer in die Kirche gerufen
ward. Die Leute sagen noch heute, derjenige, der in einer Kirche schwätzt,
lade den Satan ins Gotteshaus. (Wildschönau.)
Siehe auch Wer
nicht betet, den schreibt der Teufel auf (Alpbachtal)
Quelle: Volkssagen, Bräuche
und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf
Heyl, Brixen 1897,
Nr. 71, S. 106f