Die schwarze Hand

Zwei Freunde liebten sich im Leben aufs innigste und gelobten sich eidlich, dass derjenige, welcher zuerst sterbe, dem andern vom Jenseits Kundschaft geben müsse.

Bald starb der eine von beiden und wanderte zur Hölle. Um den Eid zu halten, erschien er seinem trostlosen Freunde und verkündete ihm das Schreckliche. Als er nun wieder zum Gehen sich anschickte, sagte der Lebende:

"Gib mir zum Abschied noch die Hand!"

Der andere aber entgegnete:

"Die Hand kann ich dir nicht reichen, denn du würdest die Glut derselben nicht ertragen. Erlaube mir nur, den Balken deines Fensters zu berühren!"

Der Freund gestattete es ihm und gieng selbst mit zum Fenster. Der Verstorbene legte seine Hand auf den Balken und schied von bannen. Siehe da, die Glut der Hand hatte den Balken versengt, und deutlich konnte man das eingebrannte Mal sehen. Der Balken mit der schwarzen Hand wurde lange Zeit auf der Brettfall aufbewahrt. (Wildschönau)

Quelle: Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf Heyl, Brixen 1897,
Nr. 13, S. 57