Der Schatz auf Kropfsberg

Bei Brixlegg im Unterinnthal thront auf einem aussichtsreichen Hügel die großartige Ruine des geschichtlich denkwürdigen Schlossen Kropfsberg. Unter dem verfallenen Gemäuer liegt ein unermeßlicher Schatz, der immer noch fortwächst und zu Zeiten blüht.

Ein "Glasherr" aus Brixlegg machte sich einst mit einem Venediger ans Werk, den Schatz zu heben. Beiden gelang es auch, ganze Wagen voll Geld und Kostbarkeiten fortzuführen. Ein altes Ehepaar, das in der Nähe der Ruine ein kleines Häuschen bewohnte, wußte darum und wäre auch gar gerne auf eine so bequeme Art reich geworden. Deshalb besprach sich das Weiblein mit einem Kapuziner und bat ihn, ihr vielleicht etwas behilflich zu sein. Der Pate aber entgegnete, daß das Geld, welches man dem Schatzhüter abzwingen müsse, nie Glück bringe. Damit blieb der Alten nichts andres übrig, als sich auf eine günstige Gelegenheit zu vertrösten.

Da trat eines Abend einkleines, weißbärtiges Manndl in die Hütte und bat um eine Nachtherberge. Nachdem ihm dieselbe gerne gewährt worden war, rückte es beim Essen mit der Absicht heraus, heute Nacht den Schatz in der Schloßruine heben zu wollen; freilich sollte ihm dabei jemand behilflich sein. Das Weib, welches sofort in dem Fremden einen Venediger erkannt hatte, erklärte sich dazu bereit. Dieser gab ihm darauf eine Salbe, mit der es ihn, falls ihm etwas zustoßen würde, einreiben, solle, bis er wieder zum "Zuig" komme. Um Mitternacht giengen nun beide mit einer Laterne den Schloßhügel hinan; doch wie staunte die Alte, als sie anstatt der düsteren Mauerreste das Schloß in seiner frühern Herrlichkeit erblickt! Ihr Begleiter führte sie in einen weiten, prachtvollen Saal, an dessen Wänden alterthümliche Schränke und Truhen voll glänzenden Goldes fanden. Jetzt begann der Venediger beim Scheine der Laterne aus einem buche zu lesen. Plötzlich aber stürzte er ohnmächtig zu boden, und zugleich erlosch auch das Licht. Das Weib sucht nun tastend den Ausgang, um daheim die Laterne wieder anzuzünden. Als es zurückkehrte und den Venediger durch Einreiben mit der Salbe wieder zum Bewußtsein gebracht hatte, war die zeit schon vorbei, den Schatz zu heben und das Manndl sagte, man müsse es auf ein andersmal verschieben. Darauf verließen sie das Schloß, welches am andern Morgen wieder als Ruine dastand. Das Venediger-Manndl aber sahen die beiden Leutchen in ihrem Leben nie mehr.

Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Nr. 66.