Schätze im Langsee

Wo der Riffler, das Kreuzjoch und der Thorhelm ihre Berglehnen zu einer Mulde, der "wilden Krimml", vereinigen, liegt von Felsblöcken und öden Kaaren umgeben, der sagenumklungene Langsee.

Einmal kam ein Venediger-Manndl über den Riffler zu diesem Alpensee herunter, schaute, am Ufer desselben angelangt, in seinen Bergspiegel und bemerkte am Grunde des Sees eine Schatztruhe. Sofort machte es sich daran sie zu heben, wickelte alsdann sich und die Truhe in ein schwarzes Tuch ein und flog mit ihr pfeilschnell durch die Luft davon.

Auch der Glaserbauer am Gerlosberg wußte einen Schatz im Langsee. Als er von einer schweren Krankheit befallen wurde und merkte, daß es mit ihm zu ende gehe, befahl er noch seinem Knechte, schnell zum See hinaufzugehen und den Schatz herunterzuholen. Dabei bezeichnete er ihm genau die Stelle, wo er zu finden sei. Der Knecht machte sich sofort auf den Weg und erreichte nach einigen Stunden strengen Steigens den See. Da saß aber am Ufer bei dem Orte, den ihm der Bauer angegeben hatte, ein großer, schwarzer Hund auf der Schatztruhe und den Schlüssel hiezu hatte er zwischen den Zähnen. Nun fiel dem Knecht das Herz in die kurzen Lederhosen und er rannte, so schnell er konnte, nach Glaser zurück. Der sterbende Bauer bat ihn aber, noch einmal zum See hinaufzusteigen, dem Hunde jedoch diesmal den Schlüssel nur keck aus dem Maule zu nehmen. Nun eilte der Knecht zum zweitenmale hinauf, fand aber die Truhe nicht mehr. Jetzt mußte er abermals unverrichteter Sache umkehren. Als er das Haus wieder betrat, kam ihm die Dirn traurig entgegen und sagt ihm, daß der Bauer kurz nach seinem Weggehen gestorben sei.

Ein Hirte, der ein verlaufenes Schaf suchte, kam zufällig an diesem See vorbei und sah eine prachtvolle goldene Kette am Ufer liegen, die mit einen Ende in den See hinein reichte. Entzückt wollte er schon nach ihr greifen, da bemerkte er nicht weit von dieser eine noch viel schönere und lief hinzu, um zuerst jene aus dem Wasser herauszuziehen. Als er aber schon im Begriffe war, nach ihr zu langen, versanken beide Ketten zugleich in die Tiefe.

Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Nr. 59.