Das Hanfbündel

Von einem Hause in Natters gieng die Sage, daß unter einem Fußboden des Erdgeschosses ein Schatz liege. Den Zimmerleuten war es daher sehr willkommen, als man den Boden in der Stube aufreißen und erneuern mußte. Nachdem sie mehrere Bretter gehoben hatten, erblickten sie ein Bündel "Honof". Sogleich dachten sie sich, dies werde der Schatz sein und wollten schon nach ihm greifen, als plötzlich die Widumhäuserin etwas zur Thüre hereinschrie. Verwundert liefen die Zimmerleute in den Hausgang hinaus, sahen jedoch niemanden mehr. Als sie wieder nach ihrem Hanfbündel sehen wollten, war dasselbe verschwunden. Verdrießlich giengen sie darauf in den Widum und stellten die Köchin zur Rede, was sie denn zu schreien gehabt habe, damit sei ihnen nämlich der ganze Schatz entwischt. Diese versicherte aber die Männer hoch und theuer, daß sie heute noch gar nicht aus dem Hause gekommen sei.

Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Nr. 55.