Das Kreuz auf dem Blasienberg

Bei Völs erhebt sich der aussichtsreiche Blasienberg. Seinen Gipfel krönt ein schönes, dem hl. Blasius geweihtes Wallfahrtskirchlein, auf dessen Seitenaltar sich ein metallenes Crucifix befindet. Unter dem Kreuze stehen die göttliche Mutter Maria und der Apostel Johannes, die beide von Holz ausgeführt sind. Am Kreuzesschaft weist eine Hand und das Wort "Velleberg" nach aufwärts und eine andere mit dem Worte "Vells" nach abwärts. Diese Gruppe verdankt ihre Entstehung folgender wunderbaren Begebenheit:

Im Burgverlies zu Velleberg schmachtete ein unschuldig zum Tode Verurtheilter. Schon am kommenden Morgen in aller Frühe sollte das Urtheil an ihm vollstreckt werden. Die Hoffnung, die sonst den Unglücklichen beseelte, daß seine Unschuld och zur rechten Zeit an den tag kommen werde, war in seiner Seele erloschen und er ergab sich mit Fassung in sein bitteres Schicksal.

Unterdessen ritt ein Bote, welcher dem Ärmsten Befreiung bringen sollte, in größter Eile von Wien her. Als die Sterne an jenem Morgen zu erbleichen begannen, hatte er Innsbruck bereits ein gutes Stück hinter sich nd kam zum Scheidewege zwischen Velleberg und Völs. Nun wußte er aber nicht, welchen Weg er einschlagen sollte und doch hatte er keine Zeit mehr, lange zu überlegen. Voll tiefen Mitleids für den unschuldig Verutheilten und von dem Gedanken gequält, daß er nun schon so nahe am dem Ziele doch nicht mehr zur rechten Zeit das Schloß erreichen könne, wenn er anfangs den falschen Weg einschlüge, that er das Gelübde, falls ihm der Himmel ein Zeichen geben würde, welcher Weg der richtige sei, hier ein metallenes Kreuz sammt den Heiligen aufstellen zu lassen, so schwer wie er und sein Roß zusammen. Und siehe da! Es zeigten sich die Worte "Velleberg" und "Vells" in leuchtender Schrift vor seinen Augen. Kaum hatte er den obern Weg eingeschlagen, als die Erscheinung wieder verschwand. Nun traf der Bote noch rechtzeitig auf dem Pfleggerichte ein, und der Verurthielte war gerettet. Der brave Reiter hielt auch sein Gelübde, ließ einschweres, metallenes Crucifix mit derselben Inschrift, die er in der Nacht gesehen, nebst den Statuen der Muttergottes und des hl. Johannes gießen und and er Wegscheide aufstellen.

Im Jahre 1809 raubten die Franzosen die beiden seitlichen Statuen.

Zwei Soldaten, die in Völs wohl Eins über den Durst getrunken und dabei das Retraite versäumt hatten, kamen an diesem Kreuze vorbei. Da zog einer aus Ärger über seine Verspätung das Bajonett und schlug damit auf die eine hand des Christusbildnisses. Von diesem Augenblick an war aber die rechte Hand des Soldaten vollkommen gelähmt. Er starb darauf nach schmerzvoller Krankheit im Spitale.

Später überführte man das mit der zeit schwarz gewordene Kreuz in das Kirchlein auf den Blasienberg und ersetzte die beiden geraubten Metallstatuen durch hölzerne. Der Platz, wo es einst gestanden, heißt heute noch "beim schwarzen Kreuz".

Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Nr. 122.