FAUST IN INNSBRUCK

Kaiser Carolus war mit seiner Hofhaltung gen Innsbruck kommen, dahin Doktor Faustus sich auch verfügt, von vielen Freiherrn und Grafen, auch Adelspersonen wohl erkannt, die seine Kunst und Geschicklichkeit schon gesehen, sonderlich denen, so er mit Arzneien und Rezepten bei vielen Schmerzen und Krankheiten geholfen. Diese Herrn und Adelspersonen, so ihn an den Hof zum Essen geladen, gaben ihm das Geleit zum Hof, was der Kaiser Carolus gesehen. Als der Kaiser sich erkundigt, wer er sei, ward ihm angezeigt, es wäre Doktor Faustus, darauf Kaiser Carolus schwieg bis nach dem Essen, und das geschah um Sommers Zeiten nach Philipp Jakobi. Fordert also der Kaiser den Faustus in sein Gemach, sagte ihm, daß ihm bekannt wäre, daß er ein Erfahrener in der Totenbeschwörung sei und einen Wahrsager-Geist habe; er bat ihn deshalb, daß er auf sein Begehren vor ihm in etwas, das er gern wissen wollte, eine Probe tun sollte, es solle ihm nichts widerfahren, bei seiner kaiserlichen Krone. Darauf bot sich Doktor Faust in Untertänigkeit an, zu willfahren.

Innsbruck Stich Matthaeus Merian

Innsbruck
Dies ist die Landeshauptstadt in Tirol und Erzherzog Leopoldi zu Österreich, hochseligen Andenkens, hinterlassenen Wittib und dero Herrn Sohns, Erzherzogs Ferdinandi Caroli, Residenz, so den Namen von dem Wasser Inn, daran sie liegt, und der Brücke darüber haben soll; daher auch lateinisch oenipons und oenipontus genannt wird. Ist hierbevor ein Markt gewesen und hat dem Kloster Wilthin gehört, dem dafür Herzog Otto, der Erste des Namens, zu Meran, zugenannt der Große, eine Summa Geldes versprochen und darauf Anno 1234 diesen Ort zu einer Stadt gemacht und mit stattlichen Freiheiten begabet hat. Graf Meinhart zu Tirol, der Anno 1295 gestorben, hat sich hernach mit gedachtem Kloster hierüber völlig vertragen und Innsbruck samt dem Dorf Ambras ganz und gar an sich gebracht. Gegen welches Dorf und Schloß wie auch gegen Hall im Inntal, so eine Meile Wegs davon gelegen, fast keine Mauern sind: Und ob sie, die Stadt, schon gegen andere Orte drei Tore hat, ist sie doch für eine offene Stadt zu halten. Sie bedarf auch keiner Befestigung, dieweil ins Land und sonderlich hieher, wegen der stattlichen Päß und Festungen an den Grenzen, nicht leichtlich ein Kriegsvolk kommen wird. Ist sonsten mit Bergen umgeben. Vor den Häusern sind Schwibbögen, darunter man gehen kann. Die Vorstädte sind schöner, frischer und lebhafter als die innere Stadt.
Aus: Archontologia Cosmica (3. Auflage von 1695) und den Topographien von Matthaeus Merian 1649
(Matthaeus Merian, geb. 22. September 1593 in Basel, gest. 19. Juni 1650 in Bad Schwalbach)

"Nun, so hör mich," sagt der Kaiser, "ich hab' einmal in meinem Lager viele Gedanken gehabt, wie vor mir meine Voreltern so in hohem Grad und Autorität gestiegen gewesen, und sonderlich, daß in allen Monarchien der großmächtige Kaiser Alexander Magnus eine Leuchte und eine Zierde aller Kaiser gewesen, und manchem bewußt ist, welchen Reichtum, welch Königreich und Herrschaft er gehabt und an sich gebracht, was mir und meinen Nachkommen wiederzubekommen oder zuwegezubringen schwer sein wird, weil die Herrschaft in viele Königreiche zerteilt ist, ich aber immerdar wünsche, daß ich seine Person, Form und Gestalt, Gang und Gebärde auch erkannt und gesehen hätte, desgleichen seine Gemahlin, und ich erfahren, daß du ein erfahrener Meister in deiner Kunst seist, alle Dinge nach ihrer Materie und Weise ins Werk zu bringen: Also ist nochmals mein gnädiges Begehren, daß du mir hierauf Antwort geben sollst."

"Allergnädigster Herr, Euer Kaiserlichen Majestät allergnädigstem Begehren, das die Person Alexanders und seiner Gemahlin betrifft, wie er zu sehen und gestaltet gewesen, will ich, soweit mein Geist es erlaubt, gern willfahren und ihn sichtbar erscheinen lassen. Doch Eure Kaiserliche Majestät soll wissen, daß ihre sterblichen Leiber nicht gegenwärtig sein können und nicht vom Tod auferstehen, da solches unmöglich ist; sondern es geschieht auf diese Weise, daß die Geister erfahrene, wohlwissende und uralte Geister sind und solcher Leute Leiber an sich nehmen können und verwandeln, daß Eure Kaiserliche Majestät also wahrhaftig Alexandrum sehen wird."

Darauf ging Faustus aus dem Gemach des Kaisers, um sich mit seinem Geist zu besprechen, und ging dann wieder in des Kaisers Gemach hinein, um dem Kaiser anzuzeigen, daß er seinen Wunsch erfüllen wolle, sofern er ihn nicht fragen und zu ihm reden wolle, worein der Kaiser einwilligte.

Doktor Faustus tat die Tür auf, bald ging der Kaiser Alexander herein in voller Gestalt, wie er im Leben zu sehen war: nämlich ein wohlgesetztes dickes Männlein mit einem dicken, roten, ausgebleichten Bart, rotwangig und streng blickend, als hätte er Basiliskenaugen. Er trat in einem vollständigen Harnisch herein, ging zum Kaiser Carolo und verneigte sich mit einer tiefen Reverenz. Der Kaiser wollte auch aufstehen und ihn empfangen, aber Doktor Faustus wollte das nicht gestatten. Bald darauf, als der Kaiser Alexander sich wiederum verneigte und wieder zur Tür hinausging, ging gleich seine Gemahlin ihm entgegen herein. Die bezeigte auch ihre Reverenz. Sie ging, ganz von blauem Samt mit goldenen Stickereien und Perlen umgeben, war auch überaus schön und rotwangig, wie, Milch und Blut, schlank und mit rundem Gesicht.

Indessen dachte der Kaiser: Nun habe ich zwei Personen gesehen, die ich schon lange zu sehen begehrt habe. Jetzt wird es auch nicht fehlschlagen, wenn der Geist sich in solche Gestalt verwandelt haben sollte, daß er mich nicht betrügen kann wie das Weib, so Saul dem Propheten Samuel auferweckt hat.

Weil der Kaiser das besser in Erfahrung bringen wollte, dachte er bei sich: Nun habe ich so oft gehört, daß sie hinten am Rücken eine große Warze gehabt hat. Ist sie bei dieser Erscheinung zu sehen, dann will ich es besser glauben.

Er ging hin und hob ihr den Rock auf und fand die Warze, weil sie sich still wie ein Stock verhielt. Und dann verschwand sie.

So ward dem Kaiser Carolo sein Begehren erfüllt, daß er zur Genüge überzeugt war.


Quelle: Nach dem Faustbuch in der Wolfenbüttler Handschrift, herausgegeben von H. G. Haile. Berlin 1963