Der alte Hechenblaikner

Unweit der Höhe des Bergkammes, der sich vom Loderstein bis zum Reitherkogel hinzieht, steht der uralte Hof zu Hechenblaiken. Schon im 11. bis 12. Jahrhundert wurde hier gerodet und auf diese Weise unwegsame Wälder in fruchtbare Äcker und Wiesen verwandelt.

Einsam liegt der Hof inmitten dunkler Tannenwälder. Über ihm gibt es nur mehr Almen und Hutweiden, unter ihm die übrigen Einödhöfe, eng an die schattigen Hänge gedrückt wie Schwalbennester.

Früh wird es dunkel in der "Neada", und die Sonne zeigt sich nur sparsam an kalten Wintertagen. Doch wer daheim ist hier auf dieser aussichtsreichen Höhe, darf sich frei fühlen, fern von dem hektischen Getriebe unserer Zeit.

Auf dem Gut Hechenblaiken, dem höchstgelegenen in der Gemeinde Reith, scheinen in den alten Urkunden viele Besitzer auf. Und immer ist es derselbe Name, der sich wie ein nicht abreißendes Band durch die Jahrhunderte zieht. Vergilbte Buchstaben auf grauem Pergament, Jahrzahlen, die Summe der Abgaben an etwaige Zinsnehmer, Namen, Daten, Verträge, das alles ist noch gegenwärtig.

Ein Mann dieses uralten Geschlechtes aber hebt sich aus der Fülle anderer Gestalten hervor. Keine Chronik meldet von ihm als einem Besonderen, Andersgearteten, doch die Sage nennt ihn noch immer "den alten Hechenblaikner".

Er war ein weitberühmter Bauerndoktor. In vielen Künsten erfahren, die gewöhnlich Sterblichen verborgen sind, wandte er sie zu Gutem an bei Mensch und Tier. Er galt als sicherer Harnkenner und deshalb auch als guter Diagnostiker bei verschiedenen Krankheiten. Noch lange nach seinem Tod rühmte man seine Fähigkeiten.

Tatsache war: Er heilte, linderte Schmerzen, und oft kam es vor, daß die Kranken nach einem Besuch bei ihm völlig beschwerdefrei heimgehen konnten. So war es nicht verwunderlich, daß sein Ruf weit über die Gemarkungen seiner Heimatgemeinde drang und viele Hilfsbedürftige selbst eine weite Reise zu ihm nicht scheuten.

Immer stand jedoch der Hechenblaikner in Konflikt mit den wenigen Ärzten, die im Umkreis wirkten. Er war nicht studiert, seine Heilmethode galt als umstritten. Vor allem hielt er sich an Kräuter und Mixturen, die er selber braute. Viele heilte er durch Sympathie.


Quelle: Die Heidin, Alpbacher Sagenbuch, Berta Margreiter, Innsbruck 1986, S. 70f.