Vom heiligen Bischof Wolfgang

Der heilige Gottesmann Wolfgang stand ehedem in hohen Ehren bei dem deutschen König, Otto dem Anderen, der ihn oftmals an sein Hoflager zog. Einst schritt er neben dem König im schlichten Mönchsgewand; denn wie er aus Demut sich heftig gesträubt hatte, Bischof zu werden, so legte er auch die Zeichen seiner Würde nur ungern an. Da sah ihn ein Ritter neben dem König gehen, der verachtete ihn im Herzen, weil er so dürftig daherkam, und wunderte sich, daß der Kaiser ihm solche Huld erwies. Darnach ward der Ritter von plötzlichen Siechtum befallen und litt Schmerzen in seinem ganzen Leibe, daß er zu sterben meinte. Da besann er sich seines Unrechtes gegen St. Wolfgang und sprach: "O heiliger würdiger Wolfgang, ich erkenne, daß ich mich versündigt habe, als ich dich verachtete." Und ließ den Bischof bitten, daß er an sein Lager käme, ihm die Schuld zu verzeihen. Alsbald trat St. Wolfgang zu ihm, verzieh ihm und redete liebreich mit ihm, und sogleich war der Ritter frisch und gesund. Von da an ward er des heiligen Bischofs treuester Anhänger.

Also hat auch späterhin, da nach Kaiser Ottens Tode arger Zwist und Krieg sich unter den Fürsten erhob, der Bayernherzog Heinrich, benannt der Zänker, an sich die Macht verspürt, die Gott dem frommen Mann verliehen. Denn nachdem er ihm lange Zeit grimmig feind gewesen war, bekehrte er sich und ehrte und liebte ihn so, daß er seine Kinder der Hut und dem Segen des Heiligen empfahl. Da hat St. Wolfgang ein jeglich Kind mit dem Namen und der Würde begrüßt, die ihm einst zuteil werden sollte: den Bruno als Bischof, die Brigitta als Äbtissin, die Gisela als Königin und den Knaben Heinrich als König.

Eben Heinrich, als er erwachsen und ein frommer Herzog geworden, war einmal im Gebet entschlummert in der Kirche, da St. Wolfgang begraben lag. So träumte ihm: er sähe St. Wolfgang aus seiner Gruft hervorgehen und bäte ihn um eine Gnade. Da sprach der Heilige: "Schau auf die Wand über meinem Grabe und lies!" Der Herzog schaute hin und las die Zahl: "Sechs." - Da erwachte er und deutete das Gesicht, das er gehabt, auf seinen Tod. Also bereitete er sich, binnen sechs Tagen zu sterben, und nach, dem diese Frist vorüber war, dachte er: binnen sechs Wochen, und kehrte sich immer inniger zu Gott und wandte sich ab von der Welt. Aber er blieb am Leben, auch nach sechs Monden; und als sechs Jahre verstrichen waren, ward er in Rom zum Kaiser gekrönt. Da besann sich Herzog Heinrich, darnach Henricus der Andere oder der Heilige genannt, was die Inschrift zu bedeuten gehabt, und dankte Gott und St. Wolfgang, dessen Verheißung so in Erfüllung gegangen war. Lange Zeit zuvor, während in deutschen Landen großer Unfriede herrschte, verließ der heilige Bischof Wolfgang heimlich sein Bistum Regensburg, weil sein Sinn darnach stand, fern der Welt als ein frommer Einsiedler zu leben. Nur ein Klosterbruder begleitete ihn, und sie zogen ein Jahr lang in den Bergen umher und kamen so an den Falkenstein. Weil dort nirgend kein Wasser war, meinte der arme Bruder verdursten zu müssen; aber St. Wolfgang nahm seinen Wanderstecken, stieß ihn in den Fels und ein frischer Quell sprang hervor. Da stillte der fromme Bruder seinen Durst; doch dachte er, in die Länge möchte er das harte Leben nicht erleiden und verließ St. Wolfgang. Wie der Heilige den Falkenstein hinanklomm, wollte der leidige Satan ihn schmählich verderben, indem er den Berg erschütterte, daß er über St. Wolfgang zusammenstürzen sollte. Da lehnte sich Wolfgang mit dem Rücken und den ausgestreckten Armen in Kreuzesform an den Berg und betete, so daß der Teufel weichen mußte. Als er dann auf der Höhe stand, begehrte er die Statt zu erkunden, wo nach Gottes Willen seines Bleibens wäre; da nahm er sein Handbeil und warf es aus allen Kräften von sich in die Luft; wo es niederfiele, da wollte er bleiben. Im Weiterwandern kam er über einen anderen Berg, der hieß Saurüssel; dahinter lag ein langer breiter See, und auf dem Gestein am Ufer lag das Handbeil. An dieser wüsten Stätte baute sich Sankt Wolfgang ein Häuslein und ein Kirchlein dabei; der Teufel aber, um ihn zu irren, wälzte Felssteine daher und warf ihm über Nacht das Gebaute ein. Sankt Wolfgang jedoch betete zu Gott seinem Herrn, und Gott verlieh ihm solche Kraft, daß er den Teufel sich zum Dienste zwang: er musste ihm die Steine, anstatt ihm damit zu schaden, selber zum Bau zuschleppen.

In der Frühe war St. Wolfgang stets zeitig auf; er gönnte sich wenig Ruhe, diente vielmehr Gott bei Tag und Nacht. Einmal an einem Sonntag hatt er dennoch über die Zeit geschlafen; des war der böse Feind schuld. Im Ingrimm darob stieß der Heilige seinen Fuß auf den Felsen, so stark, daß die Fußspur blieb und heute noch zu sehen ist.

Nach fünf Jahren trat der Teufel den Heiligen an und heischte seinen Lohn dafür, daß er ihm hatte frohnen müssen zu seinem Bau. "Viele Menschen werden dich heimsuchen und ehren an dieser Statt" - sprach er - "ich begehre den ersten davon." Der hl. Bischof hieß ihn warten bis in der anderen Frühe; da möge er den ersten haben, der zum Kirchlein käme. Der erste aber war ein Wolf aus dem Walde; denn St. Wolfgang hatte zu Gott gesfleht, daß keine Menschenseele in Gefahr käme. Da nun der Satan den Wolf erblickte, schmähte er den Bischof und fuhr wütig davon. Es geschah aber, daß ein Jäger, der an dem See jagte, St. Wolfgang in seiner Klause fand und ihn denen zu Regensburg verriet. Da wurden etliche der Fürnehmsten, geistlichen und weltlichen Standes, abgesandt, ihn heimzuholen, und es kostete Mühe und Gewalt, denn nur mit Herzeleid trennte sich der Heilige von seiner Wildnis. Als er seinem lieben Kirchlein den Rücken wandte, erhob sich das Kirchlein, drehte sich um und wollte mitgehen. St. Wolfgang aber gebot ihm: "Im Namen Gottes, sieh still, denn es ist sein Wille, daß er Gnade tue denen, die mich hier suchen." Da stand das Kirchlein; der heilige Bischof aber kehrte nach Regensburg zurück.

Quelle: Tiroler Legenden, Helene Raff, Innsbruck 1924, S. 94ff