DIE IN DER CHRISTNACHT UMGEHEN

In der Christnacht hat der Teufel freies Spiel; während das rechtgläubige Volk über die Ankunft des Heilandes fromm jubelt und sich freut, haben der Teufel und seine Genossen keine Ruhe. Mit seinen Verbündeten und dem ganzen Anhange treibt er sidi umher und versucht, die Menschen zu erschrecken, zu verlocken, an Leib und Seele zu schädigen.

Teufelsmaske © Georg Hofer

Teufelsmaske
Auf der Rückseite der von Friedensreich Hundertwasser 1988 umgestalteten
Pfarrkirche von Bärnbach
© Georg Hofer

In der Christnacht treibt besonders der „Ohneweigl" gern sein Unwesen. Dieses gefürchtete, schreckliche Gespenst in den Bergen schreckt den einsamen Wanderer, setzt sich ihm auf die Brust und drückt ihn so lange, bis er vor Ermüdung niederfällt.

Am Christabend braust das „wilde Gjoad" schnell wie der Sturm und vom schwarzen Gewölk begleitet über Berg und Tal dahin, lockt den Wanderer von seinem nahen Ziele und führt ihn irre.

In der Christnacht halten „Werwölfe", Menschen, welche mit dem Teufel im Bunde stehen und jede beliebige Gestalt annehmen können, sowie die „Strickholden", das sind Teufel in Weibergestalt, ihre Versammlungen auf gewissen Bergen, wie z. B. auf dem Hochstradner-Kogel, ab. Wenn man ein Sonntagskind ist, kann man sie sehen und erkennen.

In der Christnacht, während der Mette, stellt sich der Teufel jedesmal auf einem Kreuzwege ein, um da mit den Leuten, welche genug mutig sind, ein gefährliches Spiel, genannt „Fornichsamborsen", zu treiben. Der Teufel zieht wie eine Illzer Sage berichtet - einen Kreis, in welchen die Teilnehmer mit einem Fuße hineinsteigen müssen, während der andere außerhalb bleibt. Alsbald sehen die Beschwörer feurige Lufterscheinungen auf ihre Köpfe herabstürzen, Mühlsteine, Heuwägen u. dgl. Wehe demjenigen, der einen Fuß dabei verrückt, um der scheinbaren Gefahr zu entgehen; augenblicklich holt ihn der Teufel. Die andern, welche die Probe bestehen, erhalten Geld in Menge.

Das „Fonichisamboasten" ist .in vielen Gegenden des Raabthales und weiter hinaus bekannt. In Kirchbach a. d. R. nennt man es „Hanefsamboasten".

Am Christabende (aber auch an Abenden vor anderen hohen Festtagen, vor Ostern, Pfingsten, Allerheiligen und vor Frauentagen) pflegen in einzelnen Gegenden des steirischen Mittellandes die Leute auf solche Plätze zu gehen, wo zwei oder drei Wege sich kreuzen. Wer nun einen solchen Gang gehen will, der muß sich vorher einen kleinen Stuhl anfertigen u. zw. aus dreizehn Holzarten, z. B. Birken, Segenbaum, Buchsbaum, Erlen, Trauerweide usw.; dazu darf er jeden Tag nur von einer Holzart nehmen, muß also dreizehn Tage daran arbeiten, muß auch dabei bestimmte Formen beobachten, insbesondere daß er während dieser Zeit mit keinem alten Weibe etwas rede, weil ein solches ihn leicht verzaubern könnte. Hat man den Stuhl vollendet und alle vorgeschriebenen Formen gut beobachtet, so muß man den Stuhl einem kleinen Kinde auf einen Tag zum Spielen geben. Dann erst kann man damit auf den Kreuzweg gehen. Daselbst angekommen, muß man erst mit einer bestimmten Zauberformel alle bösen Geister bannen und zieht dann einen Kreis, in dessen Mittelpunkt der dreifüßige Stuhl gestellt wird, auf den man sich dann niedersetzt; und nun erwartet man die Mitternachtsstunde, die über das Heil des Beschwörers entscheiden soll. Kaum ertönt die zwölfte Stunde vom Kirchturme, so erscheint ein kleines Männlein und beginnt mit dem Kreuzweggeher um den Stuhl zu handeln, ihn aus der Mitte des Kreises herauszulocken, wobei es ihm große Versprechungen macht und allerlei Schätze zeigen will. Nach der Meinung einzelner Leute kann nun der Kreuzweggeher für seinen Stuhl verlangen, was er will, und das Männchen erfüllt seine Wünsche. Nach einer anderen Volkssage aber werde der Beschwörer, wenn er aus seinem Kreise trete, sogleich vom Satan geholt; bleibe er aber standhaft auf seinem Stuhle im Kreise sitzen, so beginnt das kleine Männchen, welches niemand anderer als der Teufel ist, einen furchtbaren und schreckenerregenden Lärm ringsherum und versucht es, den Kreuzweggeher mit Gewalt aus dem Kreise zu drängen. Doch kann ihm dies nicht gelingen, wenn man nur mutig ausharrt. Zuletzt gibt das Männchen dem Kreuzweggeher alles, was er nur wünscht, reiche Schätze u. dgl.; es offenbart ihm auch zukünftige Dinge, zuweilen sogar seine Todesstunde.

Die hl. Christnacht ist Schatzgräbern günstig. Manche verborgene Reichtümer können nur in dieser Nacht behoben werden, so z. B. das goldene Kalb auf dem Lauskogel bei Eisenerz. Wer dieses heben will, muß es während der Christmette tun und hat dabei drei Proben zu bestehen. Sobald die Mitternachtsstunde schlägt, kommt ein schwarzes Schwein, welches mit schauerlichem Grunzen auf den Schatzgräber losfährt; dieser darf sich aber nicht umsehen, weder jetzt noch später, wenn er nicht des Todes sein will. Darauf läuft das gespenstige Tier polternd fort, und es erscheint hierauf eine große Schlange mit furchtbaren Zähnen im Rachen und aus diesem Feuer und Schwefeldämpfe sprühend. Mit drohendem Zischen fährt sie auf den Schatzgräber los, um ihn in Angst zu versetzen. Doch läßt sich dieser nicht irre machen und gräbt rüstig weiter, so verschwindet der Spuk, und es folgt nun die dritte und letzte, aber schwer zu bestehende Probe. Schon klingt die Haue dumpfer, schon stößt sie beinahe an den harten, metallenen Schatz, da sprengt ein schwarzer Ritter in glänzender Rüstung auf weißem feuerschnaubenden Rosse im sausenden Galopp daher, richtet an den Schatzgräber einige Fragen und sagt dann: Hier, nimm den Schatz! Bei diesen letzten Worten blickt nun jeder, wenn er auch bisher mutig ausgehalten, immer gerne um; und - weg ist der Spuk, aber auch die Arbeit ist umsonst gewesen. Mancher schon soll nach der Bestehung der beiden ersten Proben das Gold durch die Erde leuchten gesehen haben, und doch war es ihm nicht möglich, den Schatz zu heben, da er der Lockung des Ritters gefolgt und die Spukgestalt angesehen hatte. Viele sollen auch an der Stelle, wo das goldene Kalb vergraben liegt, tot aufgefunden worden sein. Andere, welche lebend davongekommen, hatten in dieser Nacht weiße Haare und Falten im Gesichte bekommen: sie wurden tiefsinnig und starben bald.

Trotz der Heiligkeit des Ortes, wo die Mette abgehalten wird, glaubt das Volk, daß der Teufel und seine Genossen auch da keine Ruhe geben. Wenn man in der Thomasnacht einen Schemel aus den Nadeln von sieben verschiedenen Nadelholzarten sich verfertigt, und auf diesem in der Kirche während der Christmette kniet, so kann man alle Hexen und sonstigen Verbündeten des Teufels in der Gemeinde sehen. Da stehen sie alle umgekehrt in den Kirchenstühlen und blicken auf den, der sie sieht. Man muß aber dann noch vor dem Ende der Christmette wieder in seiner Wohnung sein; denn wenn die Erkannten und darüber heftig Erzürnten den Fürwitzigen im Freien erreichen, so geht es ihm schlecht.

Selbst den Teufel kann man während der Christmette in der Kirche sehen. Will man das, so muß man sich ein Kleid aus ungebleichter Leinwand machen, Kapuze, Rock, Hose, selbst Schuhe, aber alles aus einem Stück und mit der Naht nach auswärts. Man muß dieses Kleid mit Weihwasser tüchtig besprengen, es dann am Christabend anziehen und damit zur Mettenzeit in die Kirche gehen. Da kann man nun ganz nahe dem Hochaltar den Teufel in der Tracht eines Jägers mit der Mütze auf dem Kopfe sehen. Zwischen dem Evangelium und dem Offertorium geht der Böse mit den Hexen des Ortes, die man ebenfalls sehen und erkennen kann, opfern; er tut dies, weil er und seine Helfershelfer unserem Herrgott immer noch zinspflichtig sind. Beim Sanctus-Läuten nimmt der Teufel seine Mütze ab, wobei man dann auch seine Hörner sieht. Sobald man dies gewahr wird, soll man ihm die Mütze entreißen und sich beeilen, noch vor Beendigung der Wandlung damit die Kirchentür zu erreichen und ins Freie zu gelangen. Gelingt dies, so hat man Anwartschaft auf großen Reichtum, zu dessen Beschaffung der Teufel behilflich sein muß. Denn dieser darf erst nach der Wandlung die Kirche verlassen und trachtet dann, seine Mütze wiederzugewinnen. Diese ist zu allerlei zu gebrauchen und man kann vom Teufel für ihre Zurückgabe einen großen Schatz verlangen, ohne daß es nötig wäre, ihm dafür die Seele zu verschreiben. Alte Leute glauben noch fest daran; sie hätten, sagen manche, es in ihrer Jugend gerne versucht, auf solche Art zu einem Schatze zu gelangen, wenn sie sich nur nicht gefürchtet hätten, in dem sonderbaren Anzuge in der Kirche zu erscheinen.


Quelle: Abs. 2: aus der Sölk; Abs. 3: aus Eisenerz; Abs. 4: Lehrer Stampfer in Leoben; Abs. Fonichsamborsen: Reinhard Peinlich, Sagensammlung Msk. (Richtiger: Fonichsamboasten); Abs. Hanefsamboasten: Oberpostrat M. Felicetti v. Liebenfels. - Abs.: Am Christabende: Peinlich Msk.; Schatzgräber: Lehrer J. Labres in Gams; - Abs. Thomasnacht: aus Eisenerz; Abs.: Selbst der Teufel: aus Leoben, St. Peter, Trofaiach. Zeitschrift für österreichische Volkskunde 1, 1894, 244 ff.
Aus Will-Erich Peuckert, Ostalpensagen, Berlin 1963, Nr. 6, Seite 11f.