251. Die Wildlack’n.

Bei der sogenannten „Bösen-Mauer“, in einer wilden Schlucht, durch welche der Seebach dem Leopoldsteinersee zurauscht, befindet sich ein kleiner Sumpf, insgemein die „Wildlack'n“ genannt. In dieser soll ein Wildschütz vom Teufel hinabgestoßen worden und darin umgekommen sein.

Es jagte nämlich einst ein berüchtigter Wilddieb an einem Sonntage gerade während der Zeit des Gottesdienstes auf den Felswänden der „Bösen-Mauer.“ Mit einem Male sah er einen überaus stattlichen Gemsbock vor sich, jedoch außer Schußweite. Der Wildschütze verfolgte das Tier lange Zeit, bis dieses endlich an einer scharfen Felskante stehen blieb; er schlich nun behutsam nahe heran und betrachtete sich mit Freuden den stattlichen Bock, dessen er nun sicher sei. Da bemerkte der Jäger mit Grauen, daß der Gemsbock ungewöhnlich große Klauen und auch einen langen Schweif habe; er erkannte jetzt, daß es der lebhafte Teufel selbst sei, der da vor ihm in der Gestalt des schwarzen Gemsbockes stehe, und er wollte umkehren. Aber es war zu spät, denn das Tier machte einige Sätze gegen den erschrockenen Wildschützen, erfaßte ihn mit seinen gewaltigen Hörnern und schleuderte ihn über die steile Wand in die furchtbare Tiefe hinab.

Der gottlose Wilddieb fiel in den Sumpf und kam darin elendlich um; seitdem ist das Wasser des Sumpfes schwarz und wird dieser die „Wildlack'n“ genannt.

Nach Ignaz Rauscher.

Quelle: Johann Krainz, Mythen und Sagen aus dem steirischen Hochlande, Bruck an der Mur 1880.
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