Die verwunschene Alm
Die Alpe, welche zwischen dem hohen Göll und dem Roßfelde liegt und heute öde und kahl ist, schmückten einst üppige Wiesen und dichte Wälder, deren frisches Grün Auge und Herz erquickte.
Die Senner, welche hier wohnten, heimsten in Hülle und Fülle die Segnungen des Bodens ein und wurden überreich dabei. Reichtum verleitet indes nicht selten zu frevlem Übermut. So war's schließlich auch hier. Der eine von den Sennern, welcher gewöhnlich der "lange Sepp" genannt wurde, badete sich am Ende nurmehr in reiner Milch. So machte er es auch trotz aller Warnungen seiner Nachbarn am heiligen Christabende, er sollte zum letzten Male solchen Frevel getrieben haben. Denn mit der zwölften Nachtstunde umwölkte sich plötzlich der Himmel, und unter entsetzlichem Sturmgebrause erhob sich ein Schneegestöber, das erst endete, als von den Sennhütten und anmutigen Triften jede Spur verschwunden war und für immer verwischt blieb. An jener Stelle aber, wo des "langen Sepps" Hütte stand, breitete sich ein Eisfeld aus, nach welchem die Alpe auch oft "das Eisfeld" genannt wird.
Ein altes Mütterchen aus dem nahegelegenen Markte Kuchel sagt, das Eis sei aus jener Milch entstanden, welche Sepp zu seinem letzten Bade benützt habe.
Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd.
1, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 314 f, zit. nach Leander Petzold, Sagen
aus Salzburg, München 1993, S. 145.