Die Hintnerkapelle bei Hallein
Vor ungefähr 200 Jahren lebte in Hallein ein Kaufmann, namens Jakob Hintner, in den blühendsten Verhältnissen und war gar fromm und gottesfürchtig. Als er einst an einem heißen Nachmittag im Sommer auf seinem Felde schlief, erschien ihm im Traume ein liebliches Bild der göttlichen Mutter in ihrer jugendlichen Schönheit und Anmut. Sie befahl ihm, da eben Teuerung im Lande war, er sollte um seinen ganzen Meierhof eine Mauer aufführen, damit die armen Leute eine Beschäftigung hätten. Dieses geschah auch wirklich. Die Steine wurden aus dem Marmorbruche in Wiesthal gebracht. Viele Menschen wurden in jener geschäftslosen Zeit auf diese Weise beschäftigt und gut bezahlt, und es sind viele aus großer Not errettet worden. Seit dieser Zeit wurden die Untenehmungen des edlen Mannes, der Gott und die Nebenmenschen liebte, noch mehr von dem Himmel gesegnet. Er hatte Schiffe auf dem Meere und trieb mit England ausgedehnten Handel. Seine Geschäfte riefen ihn auch nach Leipzig, wo er eine bedeutende Niederlage von Seidenwaren und englischem Tuche hatte. Auf dieser Reise besuchte er eine Kirche in Dresden, und wer beschreibt sein Erstaunen, als er das Bild des Hochaltars in derselben erblickte! Es war ebendasselbe Marienbild, wie es ihm erschienen war, mit lieblichem Gesichte, blondem langem Haare und einem blauen Kleide; in der Hand einen Strauß von goldenen Kornähren. Sogleich ließ er eine Abbildung von dem lieblichen Gemälde machen, baute mit Erlaubnis der geistlichen Obrigkeit in der Nähe des Maierhofes eine eigene Kapelle und stellte dort das Bild zur Verehrung auf. Auch im alten Stammhause (Hänselhaus in Hallein) ist das Bild geschnitzt angebracht, und im Wohnzimmer war es in Lebensgröße. Noch immer hat diese Kapelle, welche sich am rechten Ufer der Salzach, im Rücken der gegenwärtigen Bellinischen Restauration befindet, den Namen "Hintnerkapelle", sowie das Bild darnach benannt wird.
Quelle: Nikolaus Huber, Fromme Sagen und Legenden,
Salzburg 1880, S. 11 f, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg,
München 1993, S. 275.