Der Schlangenfänger zu Salzburg

Nach Salzburg kam einst - es mögen zweihundert Jahre seitdem verflossen sein - ein weit und breit berühmter Zauberer, der der staunenden Menge laut erzählte, daß er imstande sei, alle Schlangen auf eine Meile im Umkreise in eine Grube zusammenzubringen und zu töten. Der wohllöbliche Magistrat der Stadt nahm den Wundermann rasch bei seinem Wort und bot ihm eine glänzende Belohnung, wenn er wirklich vollbringe, was sein Mund so ruhmredig behauptet habe. Jener war es zufrieden und begann alsbald an einem ihm passenden Orte unter großem Zulaufe des Volkes seine Beschwörungen.

Er zog eine kleine Pfeife hervor und pfiff damit einen seltsamen, gar eigentümlichen und unnachahmlichen Ton. Und siehe da! Zu aller Erstaunen und Entsetzen kamen von allen Wegen und Stegen, aus allen Häusern und Hütten, aus Kellern und Spalten Schlangen herbei und ringelten sich in die Grube, in der es bald ein gar greuliches Gewirre und Gewimmel gab. Immerfort blies der Zauberer auf seiner Pfeife und murmelte dazwischen seine Beschwörungsformeln. Da nahte sich auf einmal eine alte, über alle Maßen große Schlange, es war die Königin der anderen. Sie schoß einen so giftigen Blick nach dem Zauberer, daß dieser darob fürchterlich erschrak, entsetzt die Pfeife fallen ließ und in seiner Beschwörung stockend innehielt. Damit begab er sich aber aus aller Macht, und diesen Umstand nützte rasch die Schlange. Mit Blitzesschnelle sprang sie auf ihn zu, ringelte sich im Nu um seinen Körper, schnürte ihm die Eingeweide zu und riß ihn, da sie ihn jeder Bewegung beraubt hatte, willenlos in die Grube. Die anderen Schlangen stürzten sich sofort über ihre Beute und marterten den unglücklichen Zauberer langsam zu Tode. Niemand aus der großen Menge der Zuschauer wagte es, dem Unglücklichen zu Hilfe zu eilen. Von begreiflichem Entsetzen erfaßt, entflohen alle dem Orte des Schreckens. Bald darauf verloren sich auch die Schlangen wieder und kehrten dahin zurück, woher sie gekommen waren.

Die gräßlich zugerichtete Leiche des Zauberers aber wurde in der nämlichen Grube verscharrt, welche er den Schlangen zum Grabe bestimmt hatte.

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd. 1, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 252 f, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 248.