Die Schicksalsader

Im rechten Seitenschiff der Kirche zu St. Peter befindet sich das künstlerisch hervorragend gestaltete Hochgrab des Hans Werner von Raitenau, des Vaters von Erzbischof Wolf Dietrich. Es besteht aus einem rotweiß-gesprenkelten Marmorsarkophag mit einer schweren Deckplatte, auf dieser ruht ein gleichfalls steinerner Ritter in voller Rüstung, einen Befehlsstab in der Rechten. Zu seinen Füßen liegen Helm und Schild mit dem älteren Raitenauer Wappen - der schwarzen Kugel im silbernen Feld. Das meisterhaft geformte rotmarmorne Haupt der Figur aber weist quer über die Stirn hin eine weiße Gesteinsader auf. Darüber ging lange Zeit die Sage, der Bildhauer habe damit die Wunde andeuten wollen, an der Werner von Raitenau gestorben sei.

Der wahre Sachverhalt ist der: Der kaiserliche Obrist war am 4. April 1593 im Feldlager gegen die Türken in Szombor in Kroatien „an Krankheit und Erschöpfung“ gestorben. Der Leichnam wurde nach Salzburg gebracht und traf hier am 3. Mai 1593 ein. Die Bestattung erfolgte hier mit allen militärischen Ehren.

Es geschah dies ursprünglich in ein Erdgrab im Mittelschiff von St. Peter, und darüber erhob sich schon damals das von einem unbekannten Künstler aus dem Bodenseeraum geschaffene jetzige Grabmal. 1503 wurde dieses dann an die heutige Stelle - die fünfte Kapelle des rechten Seitenschiffes - versetzt.

Das an seiner ursprünglichen Stelle gelegene Erdgrab aber wurde 1979 anläßlich einer archäologischen Untersuchung des Kirchenbodens freigelegt und nach kurzer Untersuchung wieder geschlossen. Die Kleidung des Toten war noch weitgehend erhalten, der Körper jedoch zu Staub zerfallen. Das schöne marmorne Hochgrab in der Seitenkapelle ist also nur eine Erinnerungsstätte, ein sogenannter Kenotaph, allerdings von eindrucksvoller künstlerischer Ausführung.

Quelle: Josef Brettenthaler, Das große Salzburger Sagenbuch, Krispl 1994, S. 23.