Sagen vom Keutschacher

Erzbischof Leonhard von Keutschach, der von 1495 bis 1519 regierte, war ein gar gestrenger Herr, über den im Volk noch lange Zeit nach seinem Tode mancherlei Geschichten umgingen. In seinen Studienjahren soll jedoch der nachmalige Erzbischof ein recht lockerer Vogel gewesen sein, der seine Zeit lieber in lustiger Gesellschaft und beim Krug statt hinter den Büchern verbrachte.

Als er einmal nach einem verlorenen Studienjahr seinen Onkel Wolf, einen einfachen Bauern zu Alm im Pinzgau, besuchte, machte ihm dieser wegen seines liederlichen Lebenswandels arge Vorwürfe.

Der junge Leonhard aber war nicht auf den Mund gefallen und gab seinem Onkel eine kecke Antwort.

Darüber wurde der biedere Bauersmann so böse, daß er sich bückte, eine Rübe im Feld ausriß und sie seinem Neffen mit den Worten nachwarf:„Komm mir nie mehr unter die Augen, ehe du nicht ein anderer Mensch geworden bist!“ Diese Begebenheit nahm sich Leonhard so zu Herzen, daß er fortan fleißig studierte, von Stufe zu Stufe stieg und schließlich sogar Fürsterzbischof zu Salzburg wurde.

In dankbarer Erinnerung an die gutgemeinten Worte seines Onkels nahm er eine Rübe in sein Wappen auf, und noch heute kann man auf manch mächtigem Bau in Stadt und Land das „Rübenwappen“ erblicken.

Gewaltig soll auch die körperliche Kraft dieses Landesfürsten gewesen sein. Einst war er mit dem Ritter von Wiesbach in Streit geraten, und dieser machte sich zornentbrannt auf den Weg zum Erzbischof nach Hohensalzburg, um ihm persönlich den Fehdebrief zu überreichen. Leonhard von Keutschach hörte den Wiesbacher ruhig an, doch als dieser ausgesprochen hatte, ergriff er ihn mit mächtiger Faust, hielt ihn mit einem Arm hoch über den Abgrund zum Fenster hinaus und forderte den Ritter auf, alles zurückzunehmen.

Da zappelte nun der Wiesbacher zwischen Himmel und Erde und stand Todesängste aus! Schließlich gab er klein bei und beteuerte hoch und heilig, fortan Friede zu halten. Daraufhin stellte ihn der Erzbischof wie eine Puppe in den Saal zurück und ließ ihn ziehen. Doch der Wiesbacher vergaß diese Demütigung nicht und rächte sich, indem er sengend und brennend die erzbischöflichen Güter verwüstete.

Aber auch die Salzburger Bürgerschaft hatte mit ihrem gestrengen Landesherrn manchen Strauß auszufechten. Die Stadt Salzburg ertrug nur höchst unmutig sein gestrenges Regiment, und schließlich verschwor man sich, die unliebsame Herrschaft abzuschütteln. Die nachfolgende Begebenheit ist aber keine Sage, sondern wahr:

Leonhard hatte rechtzeitig von dem Vorhaben seiner Untertanen Wind bekommen, und also lud er eines Tages die Spitzen der Bürgerschaft samt dem Bürgermeister zu sich in die Residenz zu einer Tafel.

Doch kaum hatten die Ahnungslosen an den großen Holztischen Platz genommen, da sprangen die Türen auf, Bewaffnete drangen von allen Seiten ein, überwältigten die Gäste, fesselten sie und warfen sie auf offene Schlitten. In sausender Fahrt ging es durch die grimmigkalte Winternacht, und dazu stellte man den Gefangenen in Aussicht, daß sie in den Lungau gebracht und dortselbst um einen Kopf kürzer gemacht werden sollten! Dies trug sich 1511 zu. - Schließlich ließ jedoch Leonhard Gnade walten. Die Stadt mußte aber auf alle alterworbenen Vorrechte verzichten, und der Sage nach ließ der Erzbischof an den Haustoren der Rädelsführer Löwenköpfe anbringen, die einen Ring im Maul trugen - zum Zeichen, daß er den Trotz seiner Bürger gebändigt habe. An manchen Häusern der Salzburger Altstadt waren noch vor wenigen Jahrzehnten solche Köpfe zu sehen.

Die Heimatforscher behaupten indes, diese seltsamen Hauszeichen erinnerten in Wirklichkeit an den Handel der Stadt mit Venedig. Es soll sich bei diesen Köpfen um die Nachbildung des Markuslöwen handeln. Im Mittelalter trieb bekanntlich die Bürgerschaft Salzburgs über die Alpenpässe einen gar schwungvollen Handel mit der Kaufmannsrepublik Venedig, der stolzen Königin der Adria. -

Auch das Hornwerk auf der Festung, der „Salzburger Stier“, geht auf Leonhard von Keutschach zurück. Der weithin hallende Orgelklang sollte die Bürgerschaft tagtäglich mahnen, ihren Herrn und Gebieter auf Hohensalzburg nicht zu vergessen.

Der „Salzburger Stier“ ist auch heute noch täglich zu hören. Wer den Klängen des Glockenspieles gelauscht hat und sich hierauf zum Platz vor dem Hauptpostamt begibt, der kann von der Festung herab die getragene Orgelweise vernehmen.

Quelle: Josef Brettenthaler, Das große Salzburger Sagenbuch, Krispl 1994, S. 19 - 21.