Der Nonnberghund

Jeder Salzburger kennt ihn: den uralten steinernen Löwen, der am sogenannten Hohen Weg - zwischen Stieglkeller und Kloster Nonnberg - auf der Mauer sitzt, welche zu den Häusern der Herrengasse abfällt. Sein Antlitz wurde im Laufe seines etwa tausendjährigen Daseins so sehr verwaschen und glatt geschliffen, daß es eher dem eines biederen Haushundes als dem König der Tiere gleicht. Darum nennen die Salzburger ihn seit jeher den „Nonnberghund“.

In vergangenen Jahrhunderten schreckten die Eltern ihre ungezogenen Kinder damit. Sie erzählten, der Marmorhund wäre vor Zeiten ein böser, unfolgsamer Fratz gewesen, der zur Strafe für seine Missetaten in Stein verwandelt worden sei.

Interessant ist folgendes: im Jahr 1958 brachte man das uralte steinerne Tier ins Museum, um es vor der weiteren Zerstörung durch Witterungseinflüsse und Menschenhand ein für allemal zu bewahren. An seiner Stelle mauerte man eine getreue Nachbildung ein.

Als man die Originalfigur vorsichtig aus der Stützmauer löste, kam am Hinterteil des Nonnberger Hundes ein zweites Gesicht zum Vorschein! Dies stellt die Spielerei eines frühmittelalterlichen Steinmetzes dar. Das geheimnisvolle Tier ist aber höchstwahrscheinlich ein Stück aus dem seinerzeitigen romanischen Dom, der unter Wolf Dietrich abgebrannt war und dessen Trümmer dahin und dorthin verschleppt wurden, als man die Ruine niederriß, um Platz für den neuen Dom zu schaffen.

Quelle: Josef Brettenthaler, Das große Salzburger Sagenbuch, Krispl 1994, S. 22.