Die "Schreck"

Zwei Nachbarn hatten sich einst das Versprechen gegeben, daß der von ihnen, der zuerst sterben sollte, dem anderen Nachricht geben werde, wie es ihm im Jenseits ergehe. Kaum sieben Monate waren vergangen, als schon den einen die kühle Erde deckte, der andere voll Sorge wartete, was denn sein Nachbar ihm für Nachricht bringen werde.

Es war Zeit des Almauftriebes, und der Bauer trieb zeitlich früh seine Kühe gegen das Naßfeld. Da kam ihm vom Felsgebirge herab ein Reiter entgegen, in dem er mit Entsetzen seinen Freund erkannte. Unter Angst und Schrecken vernahm er nun die Schilderung der Qualen der Hölle, der jener entstiegen war, um dem Lebenden zu berichten. Und als er geendet, da sträubten sich dem Rappen die Haare, die Erde bebte, und unter dem Zucken der Blitze und Heulen des Sturmes öffnete sich krachend ein Schlund, in dem mit fürchterlichem Aufschrei der Reiter mit seinem Rosse zur Hölle zurückfuhr.

Wahnsinn umfing den Freund, verstört wankte er noch einige Zeit durchs Leben, bis auch er vor seiner Zeit ins Grab sank.

Seither heißt der Abgrund hinter dem Wildbade im Volksmund die Schreck.

Quelle: Karl D. Wagner, Gasteiner Sagen, Bad Gastein 1926, S. 24f, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 126.