DIE WILDEN MÄNNER IM TALE GASTEIN

Die Sage kündet, daß vor uralten Zeiten, bevor noch das heilkräftige Wildbad den Menschen bekannt war, im Tale zu Gastein wilde Männer gehaust haben. Sie besaßen eine riesenmäßige Stärke. Eine Pflugschar über das ganze Tal zu werfen, war ihnen ein leichter Wurf. Als einst solch ein wilder Mann seinen Stock in das Reiterbauernhaus am Badberge lehnte, bebte das Haus in seinen Grundfesten. Diese Männer wohnten am linken Achenufer in einer unzugänglichen Bergeshöhle, am Eingang der Klamm. Vor der Höhle standen Apfelbäume, mit deren Früchten sie bisweilen die vorüberziehenden Wanderer neckend warfen. Noch sieht man in der Höhle und am Berge Überreste ihres steinernen Hausrates. Diese Männer waren den Talbewohnern mehr hold als feindlich gesinnt; sie stellten ihnen oft Butter und Milch in Menge vor die Haustüren. Dabei waren sie uralt. Einer der wilden Männer hat erzählt, daß er den Stallesenwald am Stubner neun Male mair werden, das heißt aussterben und wieder aufgrünen gesehen habe, auch sei ihm noch wohl erinnerlich, daß der Bocksteinkogel im Körtschachtale wie ein Kranawetvogel und das mächtige Scharreck wie ein Semmelwecken gewesen sei.


Quelle: Volkssagen, Mährchen und Legenden des Kaiserstaates Österreich, Ludwig Bechstein, 184