Das Gold im Säeschaff

Einem Bauern in Kolm-Saigurn geschah es, daß er fast mit dem Säen fertig war, als ein Venedigermanderl kam und ihn um einen Dienst bat. Der Bauer kam der Bitte ungern nach, er hätte lieber die Aussaat beendet. Als ihn das Venedigermanderl entließ, sagte es: "Nun ernte, was du gesäet hast!" und verschwand. Der Bauer wußte die Worte nicht zu deuten, nahm sein Arbeitsgerät auf und ging nach Hause. Daheim trug er sein Säeschaff in den Speicher, um es dort abzustellen, und sah zu seinem Erstaunen, daß statt der Saatkörner, die er auf das Feld getragen hatte, jetzt lauter Goldkörner drin waren.

Der Bauer wäre ein reicher Mann gewesen, wenn sein Säeschaff eben ein Säeschaff gewesen wäre. Es war aber nur ein kleiner Sechter, den er benützte, weil sein "Saschaffl zsammgfalln" war und ihn bislang das Geld für ein neues reute. Der Bauer überlegte nun, daß das Venedigermanderl ihn sicherlich mit einem "Metzei" habe entlohnen wollen; da sein Sechterl aber kein Metzel groß war, kam er zu dem Schluß, daß ihm das Venedigermanderl eigentlich noch etwas schuldig sei. So ging er zu seinem Nachbarn, lieh sich dessen Säeschaff, schüttete das Gold hinein und machte sich damit auf den Weg, das Venedigermanderl zu suchen. Er soll bis auf das Schareck gekommen sein. "Geh hin", beendete der "Luagner" seine Erzählung, "schau nach, vielleicht steht er noch dort! Und das "Saschaffl" kannst du auch gleich mitbringen, der Nachbar wartet heute noch drauf!"

Quelle: Elfriede Lies, Zum Säeschaff im Pinzgau, in ÖZV 59 (1956), S. 113 ff, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 209.