Der gespenstische Leichenzug

Der Reisacher (Verwalter des ärarischen Goldbergbaus) fuhr einmal von Kolm Saigurn nach Rauris, als er in einiger Entfernung einen Leichenzug sich langsam fortbewegen sah. Er wollte demselben ausweichen und vorfahren. Dreimal konnte er das, beim Manischen Gaßl, unterhalb der Einödkapelle und dann auf der Weidachseite, aber jedesmal, sooft er es auch getan hatte, ging der Zug doch wieder vor ihm, es blieb ihm nur, ebenso langsam gegen den Markt hin zu fahren, wo der Zug, in den Friedhof einbiegend, ihm aus den Augen verschwand. Als er fragte, wen man begraben, ergab sich, daß seit vierzehn Tagen niemand im Tal gestorben war. Anderen Tags starb plötzlich der größte Bauer im Tale.

Quelle: Marie Andree-Eysn, Volkskundliches. Aus dem bayrisch-österreichischen Alpengebiet, Braunschweig 1910, Nr. 50, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 125.