IN GOTTES NAMEN

Im Volk lebt der Glaube, daß, wenn jemand im Handel und Wandel betrogen wird und, ohne dies zu wissen, beim Abschluß des Geschäftes spricht: "In Gottes Namen!", Gott den Betrüger strafe, und zwar sehr bald, weil er sich der Sache so annehme, als sei er selbst betrogen worden. Das wird auch erzählt von jener Jungfrau zu Lofer, welche ihre blinde Schwester beim Messen des ererbten Geldes schändlich hinterging, sich das Star oder das Gemäß stets voll füllte und es bei der blinden Schwester stets umkehrte. Bald genug erfuhr die getäuschte Blinde durch Zuträger, was ihr widerfahren war, aber sie erhob keinen Streit, denn es war nun nichts mehr zu ändern, und sprach nur sanft und ergeben: An Gottes Namen!" Bald darauf erkrankte sie und starb, und nun hatte die untreue Schwester alles und ärgerte sich, daß es jetzt keine vollen Schüsseln mit Geld zu erben gab. Auch half ihr der schlimme Trug nichts, den sie verübt hatte, denn sie erkrankte ebenfalls, starb zwar nicht, fiel aber in einen Zauberschlaf, von dem sie noch immer befallen ist.

Man sagt, ihr Haus stehe zu Lofer, und im Zimmer, das sie bewohnte, liege sie, es werde auch immer offen gelassen, damit sie Erlösung finde. Die Schlafende sowie die Geldtruhe bewacht jedoch ein schwarzer Hund, und wer nicht die Bedingungen zur Erlösung ganz erfüllen vermag, kann nicht in die Truhe langen.


Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 13