Die nachgeahmte Hexenfahrt

Ein Knecht des Jörgbauers in Rauris ging einmal nachts zu seinem Mädchen; da kam er bei einem kleinen Haus vorbei, in dessen Küche noch Licht war. Er ging näher, guckte beim Fenster hinein und sah zwei junge Weiberleut, die aus einem "G'spatei" (kleine Schachtel) Salbe nahmen, mit der sie sich einschmierten. Hierauf stellten sie das Schächtelchen in den Küchenkasten; die eine ergriff die Ofenschaufel, die andere einen Besen, und so fuhren sie durch den Rauchfang hinaus, indem sie sagten: "Grechen (gerade) auf und nirgends an." Da dachte der Bursche dies auch zu versuchen, ging hinein, schmierte sich, nahm einen Besen und sagte: "Grechen auf und überall an", und flog in die Luft. Er stieß aber überall an Felsen und Bäume an und fiel nahe dem Häuschen zur Erde. Als es vom Rauriser Kirchtum ein Uhr schlug, wurde es wieder hell in der Küche, und er sah die bei den darin mit je einem großen Teller voll "B'scheidessen" (was Gäste bei einem Mahle auf einem Teller zur Seite legen und nach Hause mitnehmen). Da ging er hinein und bat sich von den guten Sachen aus, die sie ihm auch bereitwillig gaben. Als er am anderen Morgen davon essen wollte, waren es lauter "Roßnudl".

Quelle: Marie Andree-Eysn, Volkskundliches. Aus dem bayrisch-österreichischen Alpengebiet, Braunschweig 1910, Nr. 31, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 172.