Der Riese Gänner

In der Krimmel hauste vor vielen Jahren ein Riese, so da Gänner hieß. Der forderte einmal den Dornauer Riesen im Zillertale zum Zweikampfe auf Leben und Tod heraus. Dem letzteren dünkte dies ein allzuleichtes Stücklein, und er fragte seine Söhne, ob nicht sie mit dem Gänner raufen wollten; sie hätten da Gelegenheit, die Scharte, welche sie sich im Kampfe mit dem Albacher geholt, auszuwetzen. Diese erklärten sich sofort bereit, den Streit mit jenem aufzunehmen. Indes sprach der Alte: "Nur einer darf hin!", ließ einen ungeheuren Kessel mit Butter füllen, diese langsam am Feuer zergehen und sagte: "Wer davon das meiste trinkt, der darf hinüber ziehen!" Da war's der Hans, der sich als der tüchtigste Säufer und gleichzeitig auch als der tüchtigste Raufer dem Vater vorstellte.

So zog er denn zum Kampfplatz. Hier harrte seiner bereits der Salzburger, und alsbald begann das Ringen. Hans als der Geschmeidigere und Flinkere wußte seinen Gegner, ehe sich's dieser versah, geschickt zu packen, hob ihn in die Höhe und schleuderte ihn mit solcher Macht von sich, daß Gänner der Länge nach am Boden lag und kein Glied mehr regte; er war tot.

Als Hans siegestrunken heim zum Vater kam und ihm getreulich des Kampfes Ende berichtet hatte, da schalt ihn dieser: "Schau, dummer Bub! Weshalb machst du ihn denn tot? Raufen hättest du mit ihm sollen, aber nicht ihn sofort töten."

"Ja, mein Vater!" verteidigte sich Hans treuherzig, "hätt' net g'moant, daß er nix daleid'n kunnt; i hatt'n eh net wegputzt. I han ihn nur a bißl um d'Mitt' g'halt'n, da hat er glei s'Maul aufg'riss'n, hat an Schnaufer und an Schnapper tan und is woltan dastickt." (Ja, mein Vater! Ich hätte nicht geglaubt, daß er so schwach wäre. Ich wollte ihn ohnedies nicht töten und habe ihn nur ein wenig um die Mitte gepackt; er aber hat sogleich den Mund geöffnet, noch einen Atemzug gemacht und ist erstickt.)

Risenzähne, Dentes Gigantei

Riesenzähne, Dentes Gigantei
aus: Monstrorum historia, cum paralipomenis historiae omnium animalium
Bartholomaeus Ambrosinus, Bononi (Bologna) MDCXLII (1642), S. 37

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd. 1, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 181 f, (gekürzt), zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 230.