Albrecht von Hieburg
In den Mauern von Hieburg in Oberpinzgau im Herbste 1797

Ich kann diesen Aufsatz nicht schließen, ohne nicht auch eine Sage zu erwähnen, die sich über einen Albrecht von Hieburg in hiesiger Gegend noch hält.

Der gelehrte Verfasser der Rapsodien aus den norischen Alpen Joseph Ernst Reichsritter von Koch-Sternfeld, auf dessen Besitz Mittersill, dem er entsprossen, stolz ist, gibt diese Sage in einem Gedichte kund, welches lautet, wie folgt:

„Fleuch! Entfleuch, o grauenvoller Schatten,
Ida, schone deine Mörder, mich!“
So rief Albrecht, sprang vom Ruhebette,
Albrecht, dem auf blut’ger Kampfesstätte
Jeder Kämp an Mut und Stärke wich.

Qualvoll raubte ihm ein Traumgebilde
Jede Mitternacht die Ruhestund;
Klagens stand vor ihm, im tiefen Harme
Ida; in der Mutter kalten Arme
Lag ein Säugling mit erblasstem Mund.

Hingegeben tiefem Schmerz und Elend
Irrt das gute Weib durch Feld und Wald
Sonder Hülfe, sonder Labespeise
Tönt der Unschuld Jammer schwächer, leise,
Da die Burg vom Becherklang erschallt.

Ringend mit dem Tod am kalten Giesbach,
Sinkt sie hin, umstürmt von Schnee und Frost,
Weinend windet sich auf nassen Moose,
Ach, ein Kindlein aus dem Mutterschoose,
Kind und Mutter sterben ohne Trost.

Also träumt seit sieben Wochen Albrecht,
Also ängstigt ihn Gewissenqual;
Seiner Klagenbanger Laut ertönte,
Im Gemach, von seinem Fußtritt dröhnte,
Schauerlich der hochgewölbte Saal. –

Eine schöne, hehre Nacht! Der Veste
Zinnen glänzten; traulich warf der Mond
Durch die Bogenfenster seinen Schimmer,
Und der Sternlein blasser Silberflimmer,
Floß vom himmelsblauen Horizont! –

Tiefes Schweigen umher, nur Sulzbachs
Bäche rauschten übers Rosenthal;
Eine düstre ahnungsvolle Leere!
Albrecht stand, und eine bittre Zähre
Glänzt auf seiner Wang im Mondenstrahl.

Horch! Da scholl vom moosbewachsenen Thurme
Seines Wächters heller Glockenklang,
Von der Brücke Niedersturz erschüttert
Stand der Ritter, blaß, erstarrt und zittert,
Mit gesenktem Blick; ihm ward fast bang.

An der Hand des Ullo, seines Knappen,
Tratt der Klausner Hellfried in’s Gemach.
Albrecht fasste sich: „Ha welche Kunde,
Rief er hastig, führt euch diese Stunde
Her aus eurer Zell im Dürrenbach.

Ullo ging. Der Greis mit Silberhaaren,
Langen Bart und frommen Angesicht,
Auf den Stab gestützet seine Linke,
Naht sich Albrecht, und mit ernstem Winke
Sprach er, wie der Freund zum Freunde spricht:

„Dreyzehn Monde sind es jetzo Ritter,
Als in eure Herberg Sara kam,
Eines Welschmannstochter zog die Dirne
Gauen durch, und mit verlogner Stirne
Mordete sie Männerzucht und Schamm.“

„Das war ihr Gewerb! Doch kaum verflossen
War ein Jahr, seit ihr ins Brautgemach
Ida habt geführt. Da riß, o Schande!
Eine Buhlerin die heil’gen Bande,
Und versenkte euch in Gram und Schmach!“

„Durstend nach Genuß und eurem Golde,
Wagte sie’s mit feinem, frechen Sinn,
Euch mit ihren Schlingen zu bestricken,
Und der Treue Blümmlein zu zerknicken,
Ida floh zum Sieg der Buhlerin.“

„Eure Mannheit sank herunter
Zum Genuße einer schnöden Lust,
Des Gewissens lautes Pochen stillte
Sara, die gereizten Sinne füllte
Wildes Feuer an der Dirne Brust.“

„Vierzehn Wochen dauerte der Taumel.
Ihr ward wollusttrunken, glücklich nie;
Sara wurde satt in eurem Solde,
Stahl sich, reich an euch entlocktem Golde,
Dann entfloh mit eurem Knechte sie.“

„Da erwachten die berauschten Sinne,
Schaudernd saht ihr auf die That zurück,
Von der Reu gequält, bedeckt mit Schande,
Fluchend der verrätherischen Bande,
Oed war Hieburg, euch floh Ruh und Glück.“

„Sieben lange Monde sind es, Ritter,
Daß ihr in den Mitternächten wacht:
Des Gewissens neu erwachte Sinne
Zeigt der Rächer euch, in seinem Grimme:
Idas Geist verfolgt euch Tag und Nacht.“

„Eure ausgesandten Knechte haben
Jda nicht gefunden, männiglich
Kehrten sie zurück in diese Mauern,
Die geliebte Burgfrau zu betrauern.
Ich erfreut der Buß im Stillen mich."

„Gott verzeihe euch die schwere Sünde,
Was das sanfte Weib gelitten hat,
Nur des Zufalls Spiel; in Gram und Kummer
Labte sie kein Trost, kein holder Schlummer
Sühnen müßt ihr diese Frevelthat.

,,O ich will sie sühnen, rief der Ritter,
Lebt noch Ida? Alter saget an!
Soll ich pilgern nach dem Christusgrabe?
Schenken einem Kloster meine Habe?
Sagt mir, wie ich Ida sühnen kann?"

„Ida lebt, doch horchet, was ich sage
Sprach der Greis, und drückte Albrechts Hand:
„Laßt das Pilgern, sorgt für eure Güter,
Kehrt zurück und seyd ein edler Ritter,
Bleibt und nützet eurem Vaterlande.“

„Horst von Neutau liegt im harten Kampfe
Mit dem stolzen Kunz von Mittersill.
Sendet ihm zu Hülfe eure Knechte,
Schützet seine Burg und Ritterrechte,
Sonst ist er des mächt’gen Grafen Spiel.“

„Nachbar Vulgo von der Veste Friedburg
Fiel durch seines Vetters Meuchelschwerdt;
Um der Waise Gut an sich zu stehlen,
Sollte Elsbeth nun den Schleyer wählen,
Straft den Mörder seines Frevels werth."

„Elsbeth, die verlaß’ne zarte Waise,
Nehmt mit ihrem Eigenthum in Schutz;
Also sucht nach euren Pflichten
Überall nach Recht die Ruh zu schlichten;
Seyd der Unschuld Freund, dem Laster Trutz.“

„Ja bey meinem Wort, bei Ritter-Ehre
Seys geschworen, frommer Biedermann!
Ja, ich will dem Vaterlande nützen,
Die verfolgte Unschuld stets beschützen,
Rund umher im Gaue, wie ich kann.“

„Euer Kummer, ist er wahre Reue?
Doch ich zweifle nicht, nun euch wohl!
Liebe tritt die Eifersucht darnieder,
Ida kehrt gerochen zu euch wieder
Sanft und hold, vergebend liebevoll“

„Euer Jammer rührte ihre Seele,
Ihre Liebe sendet mich zu euch:
Heil ist meine tiefgeschlagne Wunde,
Bring von mir dem lieben Albrecht Kunde,
Sprach sie; - ich gehorchte alsogleich.“

„Eures Lebens schönste Stund nahet,
Seligkeit der Zukunft findet ihr,
Eh die Sterne noch im Westen sinken,
Wird euch Ruh in Idas Armen winken,
Ritter fasset euch und folget mir!“

„Guter Hellfried! O du Himmelsbothe!
Rief der Ritter und umhalste ihn;
Sattelt schnell mir ihr getreuen Knappen
Meinen besten Zelter und drey Rappen.
Fort giengs dann durch Thal und Haide hin."

Längs des Thals, nicht fern der Feste Hieburg,
Brauste aus dem Fels der Dürrenbach;
In des Tannenwaldes dunkler Mitte
Stand des Klausners kleine Rindenhütte
Unter niedern moosbedecktem Dach.

Bey dem Schimmer einer schwachen Lampe,
Vor sich das geweihte Psalmbuch, saß
Ida, harrend unter bangen Sehnen,
Und von sanfter Quelle Ihrer Thränen
Ward der fleiß'gen Hände Arbeit naß.

An der Mutter Seite schlief, auf weichem
Moos, der kleine Fritz in sanfter Ruh;
Aus des Kindleins schönen Zügen lachte
Huld; sein Engel, der am Lager wachte.
Deckte ihn mit seinem Fittich zu.

Da erhob sich ferne Hufschlags-Echo,
Das sich hallend durch den Hain ergoß;
Ida bebt; der Trupp war nachgekommen,
Hellfried rief, und langsam schwer beklommen.
Wankt sie hin, und zog das Riegelschloß.

Mit dem Klausner trat herein der Ritter
Stumm und starrend mit zerknirschtem Sinn;
Ihn durchwogte heiß das Blut, und enqte
Seine Brust: den Laut nur: „Ida!" drängte
Er hervor und sank zur Erde hin.

Wehmuthszähren netzten seine Wangen
Ida! schluchzte er, und sah empor;
Holde Ida! hier zu deinen Füßen,
Will ich mein Verbrechen reuig büssen,
Jammer drückt mich, seit ich dich verlor.

Tief gekränktes edles Weib; o könnt ich,
Tilgen deinen Gram durch meinen Tod!
Eilen wollt ich hin in seine Arme,
Flehen, dass er meiner sich erbarme,
Daß er ende dein und meine Noth!

Aber sanft und groß ist deine Seele,
Hoffnung kehrt in meine Brust zurück;
Holde Ida! Kannst du mir vergeben?
Soll dein Albrecht sterben oder leben?
Gnade winket ihm dein Engelblick“

Ida wankt, sie sank zurück aufs Lager;
Die gekränkte Unschuld lag im Streit
Mit der Liebe Allkraft – eine Stille!
Dann umfieng sie den Gespons aus Fülle
Ihrer neu entflammten Zärtlichkeit.

Fritz erwacht und streckt die kleinen Hände
Weinend ob dem unbekannten Mann
Nach der Mutter! „O des Himmels Segen!
Weib! Welch Kleinod bringst du mir entgegen!
Ida! Mutter du? – heran, heran.“

Hoch empor hob er das Knäblein, küsste
Weib und Sohn, und freute höchlich sich;
Unsrer reinen Freuden Zährenquelle,
Rief er, heilt das Siechthum meiner Seele,
Hellfried, wer ist glücklicher als ich?

Eine Thräne quoll aus Hellfrieds grauen
Wimpern. „Wohl uns Segen euch, und Heil!“
Sprach er: Minnen und geminnet werden,
Ist fürwahr das Süßeste auf Erden .
Ach! Auch mir ward Minne einst zutheil.

Quelle: Ignaz von Kürsinger, Ober-Pinzgau, oder: Der Bezirk Mittersill. Eine geschichtlich, topgraphisch, statistisch, naturhistorische Skizze. Salzburg 1841. S. 124 - 130.
Textbearbeitung: Leni Wallner, November 2009.