Die Wetterglocken
Der berühmte "Zabera Jaggl" (Zauberer-Jackl) soll sich
oft bitter beklagt haben über die Hindernisse, welche ihm einige
Glocken, die sogenannten Wetterglocken, bereiteten, wenn er mit einem
Wetter im Anzug war. "Wenn ich mit dem Wetter durch den Paß
Lueg fahren will", soll er gesagt haben, "so läßt
mich der Werfner Schloßhund (die große Schloßglocke
in der Festung Werfen, die in früherer Zeit bei drohendem Ungewitter
geläutet worden sein soll, was aber dann auf Bitten der Abtenauer
unterblieb, da sonst alle Ungewitter über Abtenau gefahren wären)
oft nicht vorbei; ich muß dann draußen bleiben oder über
die Abtenau fahren. Schläft aber der Schloßhund und komme ich
dort glücklich vorbei und fahr' ich dann durch die Fritz (Tal und
Bach zwischen Dorfwerfen und Bischofshofen rechts in die Salzach mündend),
so kommt mir schon bei der Höllbrücke der große Altenmarkter
Hund (große Kirchenglocke) entgegen und läßt mich nicht
über die Kreisten (steile Böschung der Wasserscheide zwischen
Enns und Fritz gegen letztere hin bei Stat. Eben) hinauf, ja oft nicht
einmal in die Oberfritz (Fritztal von der Höllbrücke aufwärts
gegen Filzmoos) hinein. Will ich dann
ausweichen und übern Gasthofberg nach St. Martin fahren, dann geht's
erst recht los; mit dem Gasthofhund (große Hausglocke) fangen alle
kleinen Gasthofberghündlein (kleine Hausglocken) zu belfern an, und
ich muß meinen Zorn auf den Höllberg auslassen, oder ich muß
zurück und übers Brunnhäusl (Gasthaus an der Mündung
des Baches von St. Martin in die Fritz) nach St. Martin hinein. Schlüpfe
ich aber bei der Höllbrücke glücklich durch und fahre ich
durch die Oberfritz gegen Filzmoos, so kommen mir gleich die kleinen Filzmooser-Bellerl
(zwei kleine Glocken auf dem Kirchturm zu Filzmoos; bis sie bei Gelegenheit
der Anschaffung eines neuen Kirchengeläuts als Wetterglocken von
zwei Bauern angekauft wurden) entgegen und lassen mich nicht weiter fahren.
Was will ich tun? In den Neuberg hinein lassen mich die Neuberger "Schepperl"
(kleine Hausglocken im Neuberg, dem obersten Fritztale) nicht, zum Rückzug
bin ich zu müde, und in der Fritz lassen mich die "Bauernbelferl"
(kleine Hausglocken in der Oberfritz) nicht einmal niedersitzen auf den
"bockstickeln" Leiten. Das "Burenhelferl" (Hausglocke
des "Buren", eines Bauern an der Grenze zwischen Altenmarkt
und Filzmoos) ist da gar ein arges. Ich muß also todmüde noch
auf die Berge hinaufsteigen und über die Gsengplatte oder über
den Roßbrand oder, wenn's gut geht, über den Wurmeck (niedriger
aber breiter Bergrücken zwischen Fritz und Wandling in Filzmoos)
hinfahren und dort an unschuldigen Weiden und Wäldern meinen Zorn
auslassen und an Forst und Vieh mich rächen, bis ich endlich am Dachstein
mich niederlassen und ausruhen kann."
Quelle: Nikolaus Huber, Fromme Sagen und Legenden,
Salzburg 1880, S. 108, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg,
München 1993, S. 77.