DIE FEINDLICHEN BRÜDER VON MOOSHAM

Auf Schloß Moosham hausten einst zwei Brüder, die in treuer Liebe aneinander hingen. Da kam eines Tages ein Ritter aus der Nachbarschaft mit seinem holden Töchterlein auf die Burg. Beide Brüder verliebten sich nun in das Mägdlein und jeder wollte die holde Maid sein eigen nennen. Da verwandelte sich ihre bisherige Liebe zueinander in grimmen Haß; dieser steigerte sich noch, als der eine der beiden Brüder ein goldenes Ringlein, welches das edle Ritterfräulein bei einem Turniere gespendet, als Lohn seiner Tapferkeit gewann, während der andere leer ausging. Das ergrimmte diesen noch mehr und sein Haß gegen den eigenen Bruder wuchs so sehr, daß sich die beiden Brüder, die bisher gemeinsam im oberen Schlosse gewohnt hatten, trennten. Der eine nahm im oberen, der andere im unteren Schlosse Wohnung, und um sich ja nicht zu sehen oder zu begegnen, ließen sie die Türöffnung und alle Fenster des großen Getreideschüttbodens, welcher das untere mit dem oberen Schlosse verband, vermauern.

Da kam nach Jahren ein Sänger vor das Schloß und sang in ergreifender Weise von der ewig schönen Liebe und ihrem goldenen Los; dabei spielte er die Harfe so hinreißend schön, daß es die beiden Brüder rührte und ihre starren Herzen sich zu regen begannen. Schon wollten sie einander in die Arme fallen, um sich den Versöhnungskuß zu geben, als durch den Glanz des goldenen Ringleins auf des einen Hand der kaum erstorbene Haß mit erneuter Heftigkeit erwachte. Sie griffen zu den Schwertern und töteten einander in furchtbarem Kampfe.

Seit jener Schreckensstunde stand Moosham verödet und Grabesstille umzog seine einsamen Mauern. Des Nachts aber, wenn der silberglänzende Mond vom gestirnten Himmelszelt auf das Schloß niederleuchtete, dann stiegen aus den Gräbern zwei düstere Schatten auf und über ihnen schwebte ein feuerrotes Ringlein, das ihnen die Bruderliebe aus dem Herzen gerissen hatte.

Manch nächtlicher Wanderer aber, der in vergangenen Jahrzehnten an dem damals verfallenen Schloß vorüberschritt, sah, plötzlich wie aus dem Boden gewachsen zwei wehende Gestalten auftauchen. Sie maßen einander mit grimmigen Blicken, stürzten aufeinander los und führten ihre Schwerter so wuchtig, daß weithin die Funken sprühten.

Zu Tode erschrocken flohen die Vorübergehenden von dieser grausigen Stätte und lange Zeit war die Ruine zur Nachtzeit von den Menschen ängstlich gemieden.


Quelle: Michael Dengg, Lungauer Volkssagen, neu bearbeitet von Josef Brettenthaler, Salzburg 1957, S. 96